Die Wahrheit: Inhalte verzweifelt gesucht
Als alter Content-Junkie bin ich ständig auf der Jagd nach dem nächsten Schuss Inhalt. Ich weiß, wie man an den Stoff rankommt.
D as große Problem von Martin Schulz sind die fehlenden Inhalte? Da kann ich nur den Kopf schütteln. Warum fragt er nicht einfach mich? Als alter Content-Junkie bin ich ständig auf der Jagd nach dem nächsten Schuss Inhalt. Ich weiß, wie man an den Stoff rankommt.
Üblicherweise funktioniert es so: Wo immer ich mich aufhalte, grase ich meine Umgebung weiträumig nach Informationsquellen, Meinungsströmen und Unterhaltungsimpulsen ab. Werden welche gefunden, speichere ich sie in meinen neuronalen Netzwerken zwischen, bis mir der Kopf quietscht. Anschließend schieße ich ausgewählte Teile davon, je nach Bedarf, in Richtung Langzeitgedächtnis, ins aktuelle Problembewusstsein oder zu den Spaßrezeptoren, bis mir wieder langweilig wird. Das geht in letzter Zeit immer flotter.
Denn wie das mit der Sucht so ist: Man muss die Dosis unentwegt steigern, sonst fällt man in ein Loch, schlimmstenfalls in ein Funkloch. Dann ist man auch mit Smartphone und preiswertem Mobiltarif aufgeschmissen, mit denen man ansonsten unterwegs immer was zu snacken hat, wenn einen der Datenhunger packt. Und dann muss man aus lauter Verzweiflung vielleicht sogar U-Bahn-Fernsehen schauen!
Doch selbst unter günstigen Umständen langweile ich mich schnell. Das Internet habe ich mittags immer schon ausgelesen, im TV kenne ich sowieso bereits alles, die Streamingdienste bringen auch nicht genug Nachschub. Eventuell bin ich einer jener unersättlichen Rezipienten, vor denen der Medienindustrie inzwischen graut.
Vor einer Weile fand ich allerdings eine Content-Plattform, die selbst mich mit den Ohren schlackern ließ. Versteckt im Gassengewirr neben der Einkaufszone entdeckte ich einen Datenspeicher, der bis obenhin vollgestopft mit den feinsten Inhalten ist, sorgfältig kuratiert, kinderleicht bedienbar und praktisch ohne Einschränkungen zugänglich.
Der rätselhafte und etwas aus der Zeit gefallene Name des Portals: „Stadtbücherei“. Er führt ein wenig in die Irre, denn neben tonnenweise Büchern finden sich dort auch CDs in Hülle und Fülle, massenhaft DVDs sowie ein Saal voller Zeitungen und Zeitschriften. Ich bräuchte ein weiteres Leben, um das alles auch nur mal kurz in die Hand zu nehmen, geschweige denn, es vollständig wegzukonsumieren.
Aber dafür ist die Plattform auch nicht gedacht. Der Clou nämlich: Man führt sich die Inhalte nur für einen begrenzten Zeitraum zu Gemüte. Das ist nachhaltig, schont die Ressourcen und entspricht dem Gedanken der Sharing-Ökonomie. Außerdem kostet es quasi nichts: Für die ganzen aktuellen TV-Serien, die neuesten Musiken, die heißesten Bestseller und die schönsten Spielfilme, die andere mühselig aus dem Internet runterladen oder gegen astronomische Monatsbeiträge streamen müssen, zahlt man gerade einen Zwanziger im Jahr!
Ich kann das nur jedem ans Herz legen, auch und vor allem dem Kanzlerkandidaten der SPD, der doch so dringend auf der Suche nach Inhalten ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!