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Kommentar zu FreihandelsabkommenLobbyismus wird schwerer

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Die geplanten Freihandelsabkommen haben es jetzt schwer. Doch ein Gerichtshof für multinationale Investi­tionsstreitigkeiten ist bereits geplant.

Auch wenn es für die Freihandelabkommen gerade nicht so gut aussieht, haben die Befürworter schon vorgesorgt Foto: dpa

S chlechte Nachrichten für alle Fans des schrankenlosen Freihandels: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass auch die einzelnen nationalen Parlamente die EU-Freihandelsabkommen absegnen müssen – zumal wenn dort die umstrittenen Investorenschutzklauseln verankert sind. Dieses Urteil war erwartet worden, dennoch hat es weitreichende Konsequenzen.

Erstens: Die geplanten Freihandelsabkommen verlieren weitgehend ihren Sinn. In Wahrheit ging es nie darum, den freien Warenverkehr zu fördern. Stattdessen sollte die Lobbymacht der Unternehmen gestärkt werden. Denn die Investitionsschutzklauseln hätten es den transnationalen Firmen gestattet, gegen Staaten zu klagen, wann immer sie ihre „legitimen Erwartungen“ auf einen Gewinn gefährdet sehen. Die Unternehmen hätten also nur damit drohen müssen, Milliardenklagen einzureichen – schon hätten sie viele missliebige Gesetze im Umwelt- oder Verbraucherschutz verhindern können. Der Bürgerprotest ist daher in vielen EU-Ländern erheblich, so dass einige Nationalparlamente nicht zustimmen dürften.

Zweitens: Trotzdem sollte sich niemand der Illusion hingeben, dass der Kampf gegen den Investorenschutz endgültig entschieden sei. Denn längst hat die EU-Kommission einen Umweg ersonnen: Sie will einen multinationalen Gerichtshof für Investi­tionsstreitigkeiten einrichten.

Ein echter Gerichtshof wäre zwar besser als die bilateralen Schiedsgerichte, die bisher die Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Unternehmen entscheiden. Aber der fundamentale Mangel wäre nicht beseitigt: Wieder würde eine Sonderjustiz für transnationale Unternehmen eingerichtet, die diesen eine besondere Lobbymacht verschafft.

Es ist ganz einfach: Europa ist ein Rechtsstaat, die USA und Kanada sind es auch. Sondergerichte für transnationale Unternehmen sind also überflüssig.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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4 Kommentare

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  • Danke für den wichtigen Hinweis:

    Die Lobbymacht der Unternehmen sollte gestärkt werden!

    Ein Blick auf den Button (Bild s.o.) zeigt INSM.

    Im Auftrag von Bundeskanzlerin Merkel arbeitet diese Gruppe mit dem Werbefachmann Sebastian Turner an der "Marktkonformen Demokratie. https://www.dropbox.com/s/fr5qzbl17jefk9r/Bildschirmfoto%202016-04-13%20um%2019.35.54.png?dl=0

    Turner war eine der treibenden Kräfte hinter der Entwicklung und Umsetzung der Kampagne „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“, einer umstrittenen Lobbyinitiative von Wirtschaftsverbänden.[6] (Vgl. SWR Fernsehen 12.7.2016 21:00 Uhr 45Min."Im Land der Lügen" - Wie uns Politik und Wirtschaft mit Zahlen manipulieren. Dort wird ab Min. 18 die o.a. INSM ausdrücklich erwähnt http://swrmediathek.de/player.htm?show=62c3cd30-4833-11e6-a659-0026b975e0ea )

    Hinweis an Alle: am 24. September ist Bundestagswahl.

  • Die von der deutschen Sozialdemokratie in CETA eingebrachte und von der EU-Kommissarin Malmström widerwillig übernommene "multinationalen Gerichtshof für Investitionsstreitigkeiten" steht seit Monaten nur auf dem CETA-Papier, wo Gabriel und Lange diese Idee untergebracht haben. Seither lässt die Kommission und auch der neue deutsche Außenminister nichts mehr davon hören.

     

    Wie ein solches Gericht konkret eingerichtet wird, wie es finanziert werden soll, wie und vor allem von wem die Richter berufen werden, und vieles mehr hat uns die Kommission noch nicht mitgeteilt. Wahrscheinlich drückt man sich so lange um die Belebung dieser Totgeburt herum, bis sich die aktuelle Praxis der Klagen vor den intransparenten privaten Investor-Staat-Schiedsgerichten (ISDS) wieder im allgemeinen Bewusstsein festsetzt - wie eben in Spanien, wo der Staat von einer Kapitalgesellschaft wegen Subventionsabbau verklagt wird.

     

    Unabhängig davon muss dennoch das Urteil des EuGH begrüßt werden, damit wenigstens auf nationaler Ebene Druck ausgeübt werden kann. Damit wird wenigstens ein gewisses Gegengewicht geschaffen gegen die hemmungslos marktradikale Position der hoch über allen Köpfen agierenden Kommission, die immer neue Freihandelsabkommen rund um den Globus anleiert.

  • Etwas wirr geraten - mit Verlaub.

    Im Ergebnis aber ok.

  • Christian Rath , Autor , Rechtspolitischer Korrespondent

    Dass in den USA ausländische Investoren benachteiligt werden, kann ich mir auch überhaupt nicht vorstellen. "America First" heißt doch, dass die USA sich an Rechtsstaatlichkeit von niemand übertreffen lassen wollen.