Zukunft des Görlitzer Parks in Berlin: Kommt Zeit, kommt Rat
Ein Parkrat aus Anwohner*innen und Initativen soll die Zukunft des Görlitzer Parks mitgestalten. Am Montag fand ein erstes – reichlich chaotisches – Treffen statt.
„Ich bin selber chaotisch, deswegen passe ich ja nach Kreuzberg“, sagt Cengiz Demirci, seit November 2016 Parkmanager des Görlitzer Parks in Kreuzberg. Dass er damit Recht hat, beweist die Veranstaltung, zu der er am Montagabend geladen hat, und die mit dem Wort „chaotisch“ sehr treffend beschrieben ist: Anwohner*innen und in der Nachbarschaft engagierte Initiativen sollen einen Gründungsrat für den Görlitzer Park wählen – jenen Park, dessen Image sich hauptsächlich aus den Schlagwörtern Drogenumschlagplatz, Dreck und Kriminalität zusammensetzt.
Der Gründungsrat soll den Weg bereiten und die Satzung schreiben für einen noch zu wählenden Parkrat, der seinerseits die aus Anwohner*innen und Bezirksamtsmitarbeiter*innen bestehende Arbeitsgruppe (AG) Görlitzer Park ablösen soll. Die hatte in den vergangenen Monaten ein Handlungskonzept für den Park erarbeitet und auch schon erste Maßnahmen umgesetzt, ein Toilettenhäuschen etwa oder einen neuen Kinderspielplatz.
Nun also die Wahl zum Gründungsrat. Etwa 40 Menschen haben sich am Montagabend in der Emmaus-Kirche am Lausitzer Platz versammelt. Einige stehen in Gruppen herum, andere studieren die Liste der Kandidat*innen an den Stellwänden, die kreuz und quer im Saal verteilt sind. Der Gründungsrat soll am Ende aus zwei Personen aus der AG, vier Vertreter*innen von Initiativen und fünf Anwohnervertreter*innen bestehen.
Wahlberechtigt ist jeder, der zur Tür reinkommt. „Es kommt ja sowieso niemand aus Prenzlauer Berg her, um mit abzustimmen“, sagt Demirci und grinst. „Na, also wir haben ganz Brandenburg mobilisiert“, sagt die Frau neben ihm und lacht – Monika Weber, eine Kandidatin der Anwohner*innen.
Leute kommen und gehen, werfen Stimmkarten in eine Box, verlassen die Kirche. Ginge es nach Demirci, würden sie bleiben: Auf zwei Stunden hat er die Veranstaltung ausgelegt, die Kandidat*innen sollen sich vorstellen. „Countdown läuft“, hat er wenige Tage zuvor in die Einladungsmail geschrieben, „es sind ca. noch 80 Stunden bis zu den ersten Gründungsratswahlen für den Görlitzer Park.“
Unvorbereitete Kandidat*innen
Doch dass mit der Zeitangabe „17 bis 20 Uhr“ nicht nur ein Zeitfenster zur Stimmabgabe gemeint ist, sondern dass es sich um eine Infoveranstaltung handelt, hat außer Demirci kaum jemand verstanden. Nicht mal die Kandidat*innen wissen, dass sie sich vorstellen sollen: „Wäre ich besser vorbereitet, hätte ich heute früh um halb 8 nicht diese Mütze aufgesetzt, die ich jetzt nicht mehr absetzen kann“, sagt Monika Weber. Ein anderer Kandidat kündigt an, er müsse gleich gehen und seine Kinder ins Bett bringen.
Demirci lässt sich die Laune nicht verderben: „Sorry, aber beim nächsten Mal weiß ich es besser“, sagt der ewig Grinsende ins Mikrofon. Am Ende haben 110 Personen ihre Stimme abgegeben. Für die AG waren nur zwei Kandidaten angetreten: „Wir haben uns quasi gesetzt“ sagt einer von ihnen, Lorenz Rollhäuser. „Das ist vielleicht frech, aber wir fanden es richtig.“
Ebenfalls im Gründungsrat vertreten ist der Verein Bantabaa, der sich seit 2015 für die Geflüchteten im Görlitzer Park engagiert und ihnen Alternativen zum illegalen Arbeits- und Drogenmarkt bieten will. Die Anwohnerinitiative Görlitzer Park ist ebenso vertreten wie der Wrangelkiezrat und der Verein, der den Boule Club am Paul-Lincke-Ufer betreibt und das dort herrschende „weltoffene Flair“ auch in den Park tragen will.
Ein Ansatz, der auch den gewählten Anwohner*innen gefallen dürfte: „Ich liebe den Görli“, hat fast jede*r von ihnen in der Vorstellungsrunde gesagt. Sie alle wollen einen Park, den niemand aus Angst meiden muss. Gleichzeitig haben sie jedoch alle vehement betont, dass auch niemand aus dem Park ausgeschlossen werden dürfe.
Mit im Team sitzen neben der mützetragenden Antigewalttrainerin Monika Weber auch Souleymane Sow, der nach eigener Aussage „alle afrikanischen Sprachen, die im Park gesprochen werden“, beherrscht, Florian Fleischmann, der 2011 im Park ein „Haus gegen steigende Mieten“ gebaut hat, die Heilpädagogin Katja Frenz, die Kulturprojekte im Park durchführt und an diesem Abend die Emmaus-Kirche mit Seifenblasen füllt, und Ingo Lüdtke, der als Lehrer in einer Willkommensklasse arbeitet.
Am Ende lädt AG-Vertreter Rollhäuser alle Gewählten zum Kennenlernen ins Restaurant um die Ecke ein. Ihm wären alle Kandidat*innen recht gewesen: „Da sind keine Pfeifen dabei.“ Und am Ende ist ihm das Chaos deutlich lieber als der Konflikt. „Es ist doch toll, dass alle sagen, dass niemand aus dem Park vertrieben werden soll“, sagt er. „Es ist ja nicht selbstverständlich, dass hier niemand von der AfD sitzt.“
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