USA Das Repräsentantenhaus hat für die Abschaffung von Obamas Gesundheitsreform gestimmt. Das Votum des Senats steht noch aus: „Trumpcare“ kommt durch
aus New York Dorothea Hahn
Shame, shame!“ – Schande, Schande!, skandierten die DemonstrantInnen in Washington, D. C., als die republikanischen Abgeordneten zu den Bussen eilten. Im Rosengarten des Weißen Hauses wartete Donald Trump auf sie, um gemeinsam den „Sieg“ zu feiern. Mit der hauchdünnen Mehrheit von 217 zu 213 Stimmen hatten die Abgeordneten im Repräsentantenhaus am Donnerstag für einen Gesetzentwurf gestimmt, der die Gesundheitsreform von Barack Obama aushöhlt.
Das Gesetz würde die mühsam errungenen Fortschritte der Gesundheitsversorgung der letzten Jahre weitgehend rückgängig machen. Die größten Nachteile brächte es für Menschen mit niedrigen Einkommen. Rund 24 Millionen von ihnen würden in den nächsten Jahren ihre Krankenversicherung verlieren. Vielen SpitzenverdienerInnen hingegen würde das Gesetz finanzielle und steuerliche Vorteile in Milliardenhöhe bringen.
Statt der bundesweiten Mindeststandards für Krankenversicherungen sieht „Trumpcare“ vor, dass die Bundesstaaten selbst über die Versicherungsleistungen und -prämien entscheiden. Damit drohen Menschen mit bestehenden Vorerkrankungen sowie über 50-Jährigen höhere Versicherungsbeiträge. Zahlreiche Leistungen könnten künftig nicht mehr von den Versicherungen übernommen werden – von Krebsvorsorgeuntersuchungen über Verhütung und die Behandlung von jungen Müttern bis hin zur Betreuung von Drogenabhängigen und psychisch Kranken.
Vor allem aber würde das neue Gesetz die massiven Finanzhilfen abschaffen, mit denen die Bundesregierung die Bundesstaaten bei der Krankenversorgung für Einkommensschwache („Medicaid“) unterstützt. Auch die Besteuerung von Jahreseinkommen über 200.000 US-Dollar, durch die ein Teil von „Obamacare“ finanziert wird, soll gestrichen werden.
Robin Hood umgekehrt
„Wir lösen unser Versprechen an das amerikanische Volk ein“, sagte Paul Ryan, der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, der seit Jahren einen Kreuzzug gegen „Obamacare“ führt. Seine Partei führt ins Feld, dass der Bund durch das neue Gesetz in den nächsten zehn Jahren 765 Milliarden US-Dollar sparen würde, die nicht mehr für „Medicaid“ in die Bundesstaaten fließen würden.
Die Abgeordnete Sheila Jackson Lee dagegen nannte das Gesetz einen „umgekehrten Robin Hood“. Von den Armen würde gestohlen werden, um es den Reichen zu geben. Als Brustkrebsüberlebende beklagt die Demokratin, dass Frauen wie sie wegen ihrer „Vorbelastung“ den Zugang zur Krankenversicherung verlieren könnten.
Viele DemokratInnen hoffen nun, dass der Gesetzentwurf nicht durch den Senat kommt, die zweite Kammer des US-Kongresses. Selbst im Repräsentantenhaus stimmten am Donnerstag zwanzig moderate RepublikanerInnen mit den DemokratInnen gegen das Gesetz.
Paul Ryan, Republikaner
Im Senat, in dem für jeden Bundesstaat nur zwei SenatorInnen sitzen, fürchten die RepublikanerInnen, dass ihre Bundesstaaten ohne die „Medicaid“-Finanzhilfen aus Washington in katastrophale Situationen hineinschlittern. Mehrere republikanische SenatorInnen haben bereits erklärt, dass sie das Gesetz so nicht unterstützen werden.
Im März hatte Sprecher Ryan eine Abstimmung über einen vorherigen Gesetzentwurf im letzten Moment absagen müssen, weil sich abzeichnete, dass sich keine Mehrheit finden würde. Dem rechten Tea-Party-Flügel im „Freedom Caucus“, einer Vereinigung konservativer Abgeordneter, gingen die Einsparungen nicht weit genug.
Das neue Gesetz ist in einem harten Tauziehen in den republikanischen Reihen entstanden – und unter so großem Zeitdruck, dass viele Abgeordnete den Text am Donnerstag noch gar nicht gelesen hatten. Selbst das unabhängige Haushaltsbüro des Kongresses (CBO) wurde aus Zeitnot nicht zu Kosten und Auswirkungen des Gesetzes befragt. Einer der GegnerInnen des Gesetzes, der moderate Abgeordnete aus Pennsylvania Charlie Dent, nannte es „planlos und überstürzt konstruiert“.
Trump ließ sich von der Kritik nicht beeindrucken. Seinen ersten Abstimmungserfolg im Kongress nutzte er, um vor der Kulisse der herbeikutschierten Abgeordneten im Rosengarten ein Gesetz zu feiern, dessen Zukunft noch in den Sternen steht.
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