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Hässliche DiskriminierungKommentar von Bettina Gaus

Es reicht. Die Versuche von weiten Teilen der SPD, unbeirrt an Gerhard Schröder als Regierungschef festzuhalten, sind nicht mehr lustig. Nur noch ärgerlich. Diese Sozialdemokraten zeigen sich als schlechte Verlierer. Schlimmer noch: sie nähren Zweifel an ihrer demokratischen Haltung. Ganz besonders gilt das für den Vorschlag, Kanzler und Kanzlerin sollten sich im Amt abwechseln.

Die Union müsste von allen guten Geistern verlassen sein, wollte sie dem zustimmen. Der Klammergriff, mit dem Schröder an seinem Posten hängt, ist nicht vertrauenerweckend. Welche Begründung würde ihm wohl in ein oder zwei Jahren einfallen, um seinen Platz nicht räumen zu müssen? Die SPD könnte mit einer eingespielten Regierung den Übergang vernünftig gestalten, meint einer seiner Getreuen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Sollte man Wahlen nicht ganz abschaffen? Dann gäbe es diese lästigen Regierungswechsel gar nicht mehr.

Den Übergang vernünftig gestalten: Die Neger sind – leider, leider – noch nicht reif dafür, sich selber zu regieren. Sagten die Kolonialherren. Angela Merkel muss noch ein bisschen üben. Meinen ihre Gegner. Kein SPD-Politiker hätte es gewagt, sich einem männlichen Herausforderer gegenüber derart herablassend zu zeigen. Diskriminierung kann viele Masken tragen. Hässlich sind alle. Dumm auch.

Wer Angela Merkel jetzt diskriminiert, zwingt ihre Parteifeinde zur Loyalität. Und lässt vergessen, dass sie eine Verliererin ist. Es wäre keine Verfälschung des Wählerwillens, wenn sie sich zurückzöge. Eine Wahl ist kein Wettrennen, bei dem alleine wichtig ist, wer zuerst durchs Ziel geht. Koalitionspartner müssen ein Mindestmaß an Vertrauen zueinander entwickeln. Und die Chemie muss stimmen.

Deshalb ist es zwar ungewöhnlich, aber nicht illegitim, wenn der kleinere Koalitionspartner über die Spitze der Regierung mit entscheiden will. Ob die SPD gut beraten wäre, sich einer Koalition unter Angela Merkel zu verweigern, ist eine andere Frage. Im letzten Wahlkampf war sie die Antwort auf alle Gebete ihrer Gegner. Das könnte auch für den nächsten Wahlkampf gelten.

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