piwik no script img

Konflikte in Saudi-Arabien und BahrainSchiiten im Osten begehren auf

Aufständische liefern sich Kämpfe mit Sicherheitskräften. Als Auslöser gilt ein Bauprojekt. Sechs Menschen sollen getötet worden sein.

Einsatz gegen Demonstranten: Polizisten in Bahrain Foto: ap

Berlin taz |Schwere Unruhen mit mehreren Toten in Saudi-Arabien gehen in die dritte Woche. Aufständische in Awamiyah im schiitischen Osten des Landes lieferten sich Straßenkämpfe mit Sicherheitskräften, um sich eigenen Angaben zufolge gegen die anhaltende „Belagerung von Awamiyah“ zur Wehr zu setzen. Die Regierung sprach von „Terroristen“, die Sicherheitskräfte mit Schusswaffen angegriffen hätten.

Von sechs Toten und 25 Verletzten berichtet die oppositionelle Aktivistengruppe „European-Saudi Organization for Human Rights“ (Esohr), die aus dem Exil für die Rechte der schiitischen Minderheit kämpft. ­Esohr stützt sich auf ein Aktivistennetzwerk vor Ort. Unter den Toten sollen ein Kind, ein Soldat und zwei ausländische Arbeiter sein. Das saudische Innenministerium bestätigte den Tod von zwei Menschen. Human Rights Watch zeigte sich gegenüber der taz besorgt über die „exzessive Polizeigewalt“.

Die Proteste entzündeten sich an einem Bauprojekt in Awamiyahs historischem Viertel al-Musawwara. Laut Kritikern zerstören die Arbeiten Privathäuser und historisch bedeutsame Bauten. Esohr berichtete am Dienstag von Hunderten vertriebenen Familien und mehr als 500 geräumten Häusern. Im April forderten auch UN-Experten Saudi-Arabien auf, „die geplante Zerstörung einer 400 Jahre alten (…) Wohngegend“ zu stoppen.

Adam Coogle von Human Rights Watch vermutet eine gezielte Zerstörung des Viertels. „Al-Musawwara ist eine Hochburg der Opposition“, sagte er der taz. Viele staatlich gesuchte Oppositionelle hätten sich in den vergangenen Jahren in den engen Gassen versteckt. Der Menschenrechtler sprach von einer „politischen Motivation“ der Regierung, „das Viertel zu zerstören, die Familien zu entschädigen und in neue Häuser zu stecken“.

Bilder in sozialen Medien zeigen zerstörte Straßenzüge, ausgebrannte Fahrzeuge und Straßensperren aus massiven Betonblöcken. Gepanzerte Fahrzeuge waren neben Bulldozern zu sehen, die wohl für Abrissarbeiten angerückt waren. Die Echtheit des Materials ist schwer zu überprüfen, da unabhängige Beobachter kaum Zugang zur Ostprovinz haben. Die Bilder decken sich aber weitgehend mit Aufnahmen regierungstreuer Medien.

Der Konflikt ist eine direkte Folge der Diskriminierung

Adam Coogle, Human Rights Watch

Das rund 25.000 Einwohner zählende Awamiyah ist der Geburtsort des schiitischen Predigers und Oppositionellen Nimr al-Nimr, der Anfang 2016 hingerichtet wurde. Seit dem Arabischen Frühling 2011 kommt es in der Schiiten-Region immer wieder zu Zusammenstößen. In Saudi-Arabien herrscht eine streng sunnitische Staatsideologie. Riad verdächtigt die Schiiten, ein verlängerter Arm des Iran zu sein.

„Der Konflikt in Awamiyah ist eine direkte Folge der Diskriminierung der schiitischen Bevölkerung“, sagt Coogle. Unter anderem fordert er freie Religionsausübung für Schiiten sowie den ungehinderten Zugang zum saudischen Justizsystem. „Der einzige Ausweg ist, dass die saudische Regierung die legitimen Beschwerden der Schiiten anerkennt.“

Auch im nahe gelegenen Bahrain sind die Menschen in den vergangenen Wochen auf die Straße gegangen. Am Dienstag eröffnete die Polizei das Feuer auf schiitische Demonstranten. Ein Mensch sei getötet worden, teilten Aktivisten mit. Das Innenministerium erklärte, es habe eine „Operation zur Wahrung der Ordnung“ gestartet. Zwischen den Schiiten in Saudi-Arabien und Bahrain bestehen enge Kontakte. Im Arabischen Frühling kamen saudische Truppen dem Regime im Nachbarstaat zu Hilfe und schlugen Proteste gewaltsam nieder.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!