piwik no script img

Fund in Hamburger Uni-KlinikHerero-Schädel im Medizinmuseum

Im Uniklinikum Eppendorf wurden sterbliche Überreste aus der Kolonialzeit gefunden. Nun sollen sie in die Herkunftsländer zurückgebracht werden.

Aus dem Gruselkabinett der deutschen Kolonialgeschichte: Deutsche Soldaten verstauen die Schädel ermordeter Herero Foto: Wikimedie Commons

Hamburg taz | In einer Sammlung des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) befinden sich 75 Schädel und einige Schädelfragmente aus der Kolonialzeit – darunter auch ein Herero-Schädel. Das hat eine Untersuchung des UKE-Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin ergeben. Oberste Priorität habe nun die Rückführung der identifizierten sterblichen Überreste, sagt Uwe Koch-Gromus.

Der Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität und Vorstandsmitglied des UKE findet, die sterblichen Überreste seien „weder in einer wissenschaftlichen Sammlung noch in einem Museum korrekt aufgehoben“. Auch Abbildungen der Objekte veröffentlicht das Klinikum nicht. Damit soll einer Anknüpfung an die koloniale Entwürdigung dieser „Human Remains“ entgegengewirkt werden. Diese sei gerade durch die Zurschaustellung in der Vergangenheit geschehen, erklärt Philipp Osten, kommissarischer Leiter des UKE-Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin.

Verglichen mit anderen Sammlungen sterblicher Überreste handele es sich hier „eher um eine kleinere“, sagt Jürgen Zimmerer, Professor für die Geschichte Afrikas an der Universität Hamburg. Die Herkunft der Funde wurde aus einem in einer anderen Sammlung wiederentdeckten Inventarbuch hergeleitet. Unter den Schädeln stammen 22 aus Ländern in Süd- und Mittelamerika, 13 aus Europa, neun aus dem Gebiet der ehemaligen deutschen Kolonie in Papua-Neuguinea und acht aus Afrika – darunter einer vom Volk der Herero.

Zimmerer vermutet, dass dieser Schädel aus einem deutschen Konzentrationslager in Namibia in der Kaiserzeit stammt. Er schätzt, dass europäische Mediziner „Hunderte, wenn nicht Tausende von Leichenteilen“ aus solchen Lagern als Forschungsobjekte nach Europa transportieren ließen. Auf diese Enthumanisierung der menschlichen Überreste müsse nun eine Rehumanisierung folgen, betont Zimmerer. Deshalb solle der Kontakt zu Nachkommen der Kolonialopfer gesucht und die Objekte sollten zurückgebracht werden.

Mit der Veröffentlichung will das UKE eine Debatte anstoßen

Der Herero-Aktivist Israel Kaunatjike begrüßt diesen Ansatz. Allerdings sei die Veröffentlichung solcher Funde nur ein kleiner Schritt hin zur Anerkennung der Massaker an den Herero durch die deutsche Kolonialmacht, findet Kaunatjike. „Das sind immerhin Beweise, dass der Völkermord tatsächlich stattgefunden hat“, sagt er. Insgesamt seien bereits über 20 Schädel von Hereros in die Herkunftsländer überführt worden.

Mit der Veröffentlichung des Fundes wolle das UKE eine Debatte über historische Lehr- und Forschungssammlungen anstoßen, die menschliche Präparate enthielten, sagt Institutsleiter Osten. Damit wolle es sich von der traditionellen anthropologischen Forschung abgrenzen. Deren erklärtes Ziel sei es gewesen, „auf der Basis von Rassenan­thropologie Minderwertigkeit zu konstruieren“, fügt er hinzu.

Die Geschichte des Fundes

Die Neuropathologische Friedrichsberger Sammlung wurde zwischen 1905 und 1934 durch Wilhelm Weygandt von der Staatskrankenanstalt Friedrichsberg zusammengetragen. Sie umfasste 1.185 Schädel, Tierpräparate und ethnologische Objekte.

Die aus Afrika stammenden Schädel kaufte Weygandt zwischen 1917 und 1924 von privaten Händlern. Der Herero-Schädel wurde 1924 von Johannes Flemming erworben. Dieser organisierte vor dem Ersten Weltkrieg „Völkerschauen“.

Zwischen 1934 und 1946 wurde die Sammlung aufgelöst, ein Teil kam 1942 ins UKE.

2016 begann die Prüfung der UKE-Sammlungen auf Human Remains aus kolonialem Kontext.

Medizin-Dekan Koch-Gromus wünscht sich, dass das Vorgehen des UKE als gutes Beispiel dient: „Damit andere Institutionen in Hamburg nachziehen.“ Er wolle jedoch keine Spekulationen darüber anstellen, wo in Hamburg es weitere Funde geben könnte.

Koch-Gromus gab die Prüfung der UKE-Sammlungen auf sterbliche Überreste aus der Kolonialzeit vor dem Hintergrund aktueller Debatten um solche Objekte im vergangenen Jahr in Auftrag. „Ich staune immer, was man im UKE noch so alles findet“, sagt er. So richtig überraschend sei der Fund dann aber doch nicht. Schließlich sei Hamburg neben Berlin eine der stärksten Kolonialme­tropolen gewesen.

Am Dienstag, d. 25. April findet im Bremer Kulturzentrum Lagerhaus ein taz.salon zum Thema „Wie umgehen mit der Kolonialgeschichte?“ statt, Eintritt frei

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Ob die Rückführung der beste Weg der Aufarbeitung ist? Aus dem Augen aus dem Sinn! Wäre es nicht besser, die UKE würde daraus eine Ausstellung über die Verbrechen der Kolonialzeit machen? Schließlich ist es wichtiger gegen diese Verbrechen zu mahnen, als ein Jahrhundert später unter dem Vorwand "die Würde zurückzugeben" die Zeugnisse der Verbrechen zu verscharren. Wir stellen schließlich auch den Ötzi aus und sorgen uns nicht um dessen Würde.

    • @Velofisch:

      Vom Ötzi und anderen prähistorischen Toten leben aber auch keine bekannten oder zumindest auffindbaren Verwandten mehr. Wenn die Schädel vom Anfang des 20. Jahrhunderts stammen, können die Enkel der Toten noch leben.

      Und eine Ausstellung über die Gräuel der Kolonialzeit funktioniert auch ohne makabere Knochenfragmente.