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Gastkolumne FrankreichwahlEine Marine macht keinen Sommer

Die Frauen sind insgesamt die großen Verliererinnen dieser Präsidentschaftswahl. Das liegt an den Männerzirkeln – und an einer Frau.

Rechts und rechter: Francois Fillon und Marine Le Pen Foto: reuters

M arine Le Pen hat im Wahlkampf behauptet, die Kandidatin der Frauen zu sein. Was für ein Witz! Sie ist natürlich die einzige Frau unter den Präsidentschaftsanwärtern, aber sie ist weit davon entfernt, die Sache des Feminismus voranzubringen. Schlimmer noch, ein Sieg wäre ein großer Rückschritt für die Stellung der Frau in der französischen Gesellschaft.

Der Kampf für Frauenrechte ist bei Le Pen kein eigenes Thema, sondern direkt mit den Kampf gegen den Islamismus gekoppelt. Sie sieht ihn als die Hauptbedrohung der Freiheit der Frauen. Am Rande abgehandelt werden noch: die Notwendigkeit der Lohngleichheit und die Prekarisierung von Hausfrauen. Das ist alles, was man in den 144 Punkten des Wahlprogramms findet – ziemlich wenig.

Ja, Marine Le Pen hat das Kunststück vollbracht, als Frau bei der Präsidentschaftswahl anzutreten, aber sie hat das nicht allein geschafft. Sie hat von der Durchschlagskraft eines ganzen Clans profitiert, dem ihr Vater Jean-Marie als gewissenloser Patriarch vorstand. Man kann in ihrem Umfeld noch so lange suchen, es finden sich bis auf ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen nur Männer.

Sie ist ein weiteres wichtiges Rädchen im Getriebe des Clans und tritt offen gegen die Gleichstellung der Homo-Ehe und das Recht auf Abtreibung ein. Nein, für die Sache der Frau ist Marine Le Pen ein falscher Fuffziger, eine veritable Falle. „Schaut her, das ist, was passiert, wenn eine Frau eine Partei führt!“ Das ist eigentlich ein plumper Witz. Im Fall von Marine Le Pen muss frau sich mit einer Reaktion auf die Zunge beißen.

alexandra Schwartzbrod

57, ist stellvertretende Chefredakteurin der Libération. Daneben ist sie prämierte Autorin von Thriller­n (Grand prix de littérature poli­cière). Auf Deutsch erschien der Jerusalemkrimi „Denn es rächt sich alle Schuld“ (Blanvalet).

Die Frauen sind insgesamt die großen Verliererinnen dieser Wahl. Das war der schockierende Anblick, der sich bei der ersten Vorwahldebatte der Rechten bot: sieben Männer in Anzug und Krawatte, in ihrer Mitte eine einzige Frau. Im Vorwahlkampf der Linken das gleiche Bild: sechs Männer, eine Frau. War es nicht gerade die Linke, die sich für die Parität der Geschlechter starkgemacht hatte? Wäre das nicht die Gelegenheit gewesen, ein gutes Beispiel zu geben?

In der zweiten Runde des Vorwahlkampfes das gleiche Spiel. Benoît Hamon und Manuel Valls umgaben sich ausschließlich mit Männern. Wie? Valls? Der von sich behauptet, er kämpfe für die Gleichheit der Geschlechter. Hamon, der behauptet, er bereite die Gesellschaft von morgen vor. Und Emmanuel Macron! Obwohl seine Bewegung En Marche! auf den ersten Blick paritätisch aufgestellt zu sein scheint, besteht sein engster Vertrautenkreis aus Männern. Nur einer ist in der Hinsicht sauber, Jean-Luc Mélenchon. Ein schwacher Trost.

Ist die französische Politik ein zu ernstes Thema, um es Frauen zu überlassen? Die Politikerinnen der Linken, von Christiane Taubira bis zu Najat Vallaud-Belkacem, haben die gleiche Eignung wie ihre männlichen Konkurrenten. Es gibt natürlich ebenso viele unfähige Frauen, wie es dumme Männer gibt. Das Problem ist dieser Teufelskreis: Die Schwierigkeit, sich in einem von Männerzirkeln geprägten System Platz zu schaffen, führt dazu, dass Frauen der Mut verlässt. Sie fürchten, sich der Lächerlichkeit preiszugeben, der Hochstapelei verdächtigt und überrollt zu werden.

Frankreich hat – verglichen mit Deutschland, wo es eine Kanzlerin gibt und eine Verteidigungsministerin – einiges nachzuholen. Es ist 2017, Jungs, es wäre vielleicht an der Zeit, ein wenig Platz zu machen für eure Kolleginnen!

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7 Kommentare

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  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Bin ich auch dann noch ein Mann, wenn ich Le Pen nicht als Frau wahrnehme?

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    Marine Le Pen ist nicht so erfolgreich mit ihrer braunen Grütze obwohl sie eine Frau ist, Sie ist so erfolgreich, weil sie eine Frau ist. Das selbe gilt für Frauke Petry, Beatrix von Storch, Beata Szydło, oder Sarah Palin.

     

    Während alle noch allzu gut die Bilder vom männlichen Schreihals Hitler in Erinnerung haben, wird der holden Weiblichkeit immer noch ein Rest gute Absichten unterstellt.

     

    Was ist denn nun mit der neuen AFD-Vorsitzenden Alice Weidel? Eine bekennende Lesbe wird in Deutschlands Nationalistenpartei Nr 1 die Vorsitzende. Warum?

     

    Was hat die Gleichstellung der Homo-Ehe der Le Pen ablehnend gegenüber steht, jetzt eigentlich mit der Gleichstellung der Frau zu tun? Das betrifft wohl genauso Männer wie Frauen und warum wird Le Pen dann unterstellt, gegen "die Frauen" zu handeln? Wie als ob Le Pen keine weiblichen Wähler hätte und Frauke Petry eine Erfindung der Männerwelt wäre.

     

    Macron ist übrigens für die Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und der ist ein Mann.

     

    Das eigentliche Problem was (Hetero)Feministinnen aus dem feministischen Aspekt heraus, mit einer Le Pen oder Frauke Petry haben, ist doch nicht nur deren Einstellung zur Abtreibung.

     

    Ich zitiere:"... Die Männer werden dabei weiter Macht abgeben müssen. Aber auch den Frauen wird das passieren: bei der Mutterschaft etwa, deren millimeterweise Abtretung auch ihnen Ersetzbarkeitskränkungen beschert; und bei der Moralität: Erfolgreiche Frauen werden die einst unbescholtene ‚Weiblichkeit‘ weiter desavouieren und die alte Hoffnung des Feminismus zersetzen. Und das ist gut so."http://www.forschung-und-lehre.de/wordpress/?p=17324

  • Was heisst da einzige Frau? Als Kommunistin ist Nathalie Arthaud für Sie ein Zombie???

  • Sollten wir uns wirklich was vom Feminismus erzählen lassen von einer Frau, die Frauen die Schuld in die Schuhe schiebt dafür, dass „Frauen […]insgesamt die großen Verliererinnen dieser Wahl [sind]“?

     

    Alexandra Schwartzbrod macht es sich sehr leicht. Frauen, behauptet sie, hätten ganz einfach Angst. Ich finde, das ist eine Frechheit, die bestraft gehört. Hätte ein Mann solch einen Blödsinn in die taz geschrieben, wär das Geschrei vermutlich groß. Und ganz zu recht.

     

    Ist ja nicht so, dass Frauen, die sich in die Politik begeben, nicht wüssten, was sie zu erwarten haben. Männer sind auch untereinander keine Feinen. So wenig, wie es Frauen sind. Frau Schwartzbrod scheint ernsthaft zu glauben, weibliche Politiker wären darauf angewiesen, mit Samthandschuhen angefasst zu werden. Ich frage mich, er ihr das eingeredet hat.

     

    Nein, es ist kein „Verdienst“ der „Männer in Anzug und Krawatte“, wenn sie die Frankreich-Wahl (fast) unter sich ausmachen. Es ist eine Gemeinschaftsleistung. Die französische Gesellschaft ist nicht weniger konservativ, patriarchal und autoritär ausgerichtet, als die deutsche oder die US-amerikanische. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit war gestern. Heute ist Größe, Stärke, Durchschlagskraft. Das gilt in der Wirtschaft, das gilt im Sport, das gilt in der Kultur und es gilt natürlich auch der Politik.

     

    Die Alpha-Männchen, die im Durchschnitt nun mal größer und auch stärker sind, werde nicht „Platz machen“ für ihre Mitbewerberinnen. Warum auch sollten sie? Sie sind es, die der Wähler sehen will. Im Fußball wie im Elysee. Klar sind die Kerle arrogant. Sie haben ja auch allen Grund dazu.

     

    Es gibt so viele unfähige Frauen, wie es unfähige Männer gibt. Das Schlimme ist: Die Fähigkeiten sind nicht ausschlaggebend. Frau Schwartzbrod ist der lebende Beweis dafür. Auch, wenn sie eine Frau ist.

  • Es ist 2017, Mädels, es wäre vielleicht an der Zeit mit dem Heulen aufzuhören und nach vorne zu treten, oder, ein wenig Platz zu machen für eure Kolleginnen die den Mut aufbringen nach vorne zu treten...

  • Es gibt in Frankreich, ebenso wie auch hierzulande mehr Frauen als Männer. Warum diese keine Frauen in Ämter wählen um "die Sache des Feminismus voranzubringen" bleibt wohl deren Geheimnis.

     

    Aber wahrscheinlich ist Feminismus auch einfach nicht wichtig genug...

  • Platz machen. Aha. Also Quotenfrauen in Spitzen der Parteien.

    In Frankreich mussten bekanntlich alle Kanidaten sich Vorwahlen stellen.

    Offenbar haben die Wählerinnen eben lieber Männer genommen.

    Auch Merkel, Petry, Alice Weidel, von Storch und vdL sind keine Quotenfrauen.

    Nur Göring-Eckart und Kipping. Und da sieht man, wohin das führt.

    Das politische Geschäft ist knallhart und eine Partei, die kein gutes Personal aufweisen kann, was sich durchbeisst, geht früher oder später unter.