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Wem gehörendie Flüsse?

Naturrecht Der Bund darf seine Wasserstraßen verkaufen – auch an Privatpersonen. Aber das wäre ein sehr ungewöhnlicher Schritt

Grundsätzlich ist auch Privateigentum an Flüssen möglich. Das ergibt sich zum Beispiel aus dem niedersächsischen Wassergesetz

Üblicherweise sind Flüsse in öffentlichem Eigentum. Sie gehören in der Regel dem Bund oder den Bundesländern. Kein Wunder, dass die Privatisierung eines Flussteils als seltsam empfunden wird und auf Irritation und Empörung stößt.

Im Deutschen Reich gehörten die Flüsse zunächst den Ländern. Die Flüsse, die von der Binnenschifffahrt als Verkehrswege genutzt werden, gingen aber in der Weimarer Republik per Staatsvertrag auf das Deutsche Reich über. Die übrigen Flüsse gehörten weiter den Ländern. Nach 1949 blieb diese Verteilung erhalten. „Der Bund ist Eigentümer der bisherigen Reichswasserstraßen“, heißt es im Grundgesetz. Derzeit gibt es 64 Binnenwasserstraßen des Bundes, von der Aller bis zu den Zechliner Gewässern in Brandenburg.

Die Bundeswasserstraßen werden von 39 Wasser- und Schifffahrtsämtern verwaltet. In den nächsten Jahren sollen sie auf 17 Ämter reduziert werden. Ihr Slogan: „Wir machen Schifffahrt möglich“. Die Ämter unterhalten die Bundeswasserstraßen, indem sie die Fahrrinnen ausbaggern und die Ufer befestigen. Sie unterhalten auch die Schleusen und Wehre. Sie sorgen dafür, dass Bojen und Tonnen den Schiffen Orientierung geben. Die Ämter verfügen über Spezialschiffe für Öl- und Chemieunfälle sowie Eisbrecher für den Winter.

Für das Mündungsgebiet der Jeetzel, das noch als Bundeswasserstraße gilt, ist das Wasser- und Schifffahrtsamt Lauenburg zuständig – aber nur, solange die 820 Meter lange Flussstrecke dem Bund gehört. Flüsse, die im Eigentum der Länder stehen, werden dagegen von den Wasserwirtschaftsämtern verwaltet. In Niedersachsen gibt es seit 2005 den Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) mit Sitz in Norden.

Der Bund kann grundsätzlich sein Eigentum an Bundeswasserstraßen aufgeben. Es gilt nicht der Grundsatz „einmal Bund, immer Bund“. Allerdings müssen die Länder laut Bundeswasserstraßengesetz einem Verkauf zustimmen, sie haben sozusagen ein Vetorecht. Dabei ist vom Gesetzgeber wohl nicht in erster Linie an private Erwerber gedacht worden. Auch der Verkauf an eine Kommune oder einen Landkreis wäre ja ein Eigentumsübergang. Grundsätzlich ist aber auch Privateigentum an Flüssen möglich. Das ergibt sich zum Beispiel aus dem niedersächsischen Wassergesetz: „Ist ein Gewässer zweiter oder dritter Ordnung Eigentum der Anlieger, so ist es Bestandteil der Ufergrundstücke“, heißt es dort. Die „Ordnung“ bezeichnet die Bedeutung eines Gewässers.

Größere Verkaufspläne hatte der damalige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) im Jahr 2011. Bundeswasserstraßen ohne Transportfunktion wollte er an die Länder oder private Investoren abgeben. Genannt wurden damals zum Beispiel die Lahn und die Leine. Im Sinne einer „Nutzerfinanzierung“ hätten dann Bootsfahrer und Touristenschiffer die Flüsse selbst betreiben können. Unter der jetzigen Großen Koalition hat man von solchen Plänen aber nichts mehr gehört.

Würde das Land oder ein privater Erwerber die Jeetzel kaufen, gälten die Nutzungsregeln aus dem niedersächsischen Wassergesetz. Dort heißt es zum Beispiel: „Das Grundeigentum berechtigt nicht zur Erhebung von Entgelten für die Benutzung von Gewässern.“ Zahlreiche Tätigkeiten sind als „Gemeingebrauch“ sogar ausdrücklich erlaubt. So darf man in Flüssen baden, sich waschen, mit „Handgefäßen“ Wasser schöpfen, man darf sie mit Kanus, Ruder- und Tretbooten befahren und im Winter darf man darauf Schlittschuh fahren und Eishockey spielen. Es gibt allerdings Grenzen: Der Eigentümergebrauch darf dabei nicht eingeschränkt werden und die Wasserbehörden können die Nutzung zum Schutz der Gewässer oder ihrer Erholungsfunktion beschränken.

Außerdem steht das Fischereirecht laut niedersächsischem Fischereigesetz dem Eigentümer zu, der es freilich verpachten kann, zum Beispiel an Angelsportvereine. Christian Rath

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