: „Das eigentliche Problem ist: Das Material ist zu haltbar“
Nachhaltigkeit Es reicht nicht, Kunststoffe zu recyceln, sagt die Designerin Friederike von Wedel, sie müssen biologisch abbaubar sein
ist Gründerin des Beneficial Design Institute, einer Forschungs- und Entwicklungseinrichtung für nachhaltige Mode und Textilien.
taz: Frau von Wedel, Sie befassen sich intensiv mit nachhaltiger Kleidung. Ist Recyclingpolyester ein gutes Material?
Friederike von Wedel:Nein, eigentlich nicht. Polyester aus Einweg-PET-Flaschen in eine weitere Nutzungsschleife zu geben, löst sein grundlegendes Problem nicht. Es braucht durchschnittlich 500 Jahre, bis dieser Kunststoff biologisch zersetzt ist.
Der geringe ökologische Fußabdruck von Recyclingkunststoff überzeugt Sie nicht?
Das ist zu kurz geguckt, es fehlt die ganzheitliche Perspektive. Wenn man nur die Faserherstellung miteinander vergleicht und nicht die Nutzung und Nachnutzung, schneidet Recyclingpolyester in der Tat nicht schlecht ab. Das eigentliche Problem – dass dieses Material zu haltbar ist – besteht weiter. Dabei gibt es Lösungen. Kunststoff kann so hergestellt werden, das er biologisch abbaubar ist.
Finden Sie es richtig, dass der Biostandard GOTS Recyclingpolyester zulässt?
Nein, ich finde es schade, dass der Standard sich dahingehend geöffnet hat.
Sie setzen auf Garne, die nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip hergestellt sind. Sie werden nach ihrer Nutzung kein Abfall, sondern im besten Falle Dünger. Wie soll das gehen?
Die Polyesterketten werden anders aufgebaut und können so später von Mikroben angegriffen und abgebaut werden. Beispielsweise hat Lauffenmühle, ein Hersteller von Arbeitstextilien, ein Garn entwickelt, das verschiedene Nachnutzungen erlaubt, zum Beispiel als Pflanzvliese vor Erosion schützt oder auf dem Kompost zu Humus zerfällt. Entscheidend ist dabei auch, dass der Abrieb, der durch das Tragen und Waschen in die Gewässer gerät, sicher für die Umwelt ist. Bei Polyester ist das nicht der Fall.
Warum setzt sich solch ein Wunderstoff nicht durch?
Macht er doch. Es war sehr anspruchsvoll und langwierig, das Material in dieser umfassenden Qualität zu entwickeln. Bislang ist es noch recht teuer für den Modesektor, bei dem ja alles immer möglichst billig sein muss. Abgesehen davon ist auch fraglich, wie offen der Markt für wirklich nachhaltige Lösungen ist, wenn ja mit dem Recyclingkunststoff schon ein vermeintlich gutes und billiges Material da ist. Aber langsam fasst das kompostierbare Garn auch im Konsumentenbereich Fuß.
Die Zusammensetzung von Cradle-to-Cradle-Stoffen wird nicht transparent gemacht, der Kunde muss Ihnen schon glauben, oder?
Das ist so nicht richtig. Es gibt natürlich offen zugängliche Empfehlungs- sowie Ausschlusslisten für Chemikalien von Cradle to Cradle, und beim InCycle-Projekt von Puma beispielsweise wurden zudem alle Chemikalien offengelegt. Darüber hinaus wird eine Deklarierung aller Inhaltsstoffe bei allen Produkten angestrebt, das wäre jedoch eine gesetzliche Entscheidung. Es bräuchte ein grundsätzlich anderes wirtschaftliches Handeln und Miteinander, um Unternehmen davon zu überzeugen, ihre Rezepturen freizugeben. Das kann kein Zertifikat verlangen. Insgesamt setzt Cradle to Cradle ganz klar auf Transparenz und auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Unternehmen. Es entwickelt sichein Prozess, in dem alle die Philosophie verinnerlichen können.
Wäre es nicht sinnvoll, sich hinter einem gemeinsamen Siegel – wie dem GOTS – zu versammeln, um für die Verbraucher erkennbarer zu sein?
Das wäre sicher sinnvoll. Wieso nicht Crade to Cradle? Das ist das ganzheitlichste Zertifikat – mit dem Vorteil, dass der Verbraucher dann nur noch ein Zertifikat branchenübergreifend kennen müsste.
Heike Holdinghausen
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