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Kein Naturschutz für Vögel

Umwelt An der Unterelbe streiten sich Umweltschützer und Landwirte darüber, dass ein EU-Vogelschutzgebiet in deutschem Recht nur ein Landschaftsschutzgebiet werden soll

Zwischenlandung im Kehdinger Land: Ein Schwarm Nonnengänse Foto: Andreas Wrede/dpa

von Gernot Knödler

Der Umweltverband BUND befürchtet, dass der Naturschutz in Niedersachsen unter die Räder kommen könnte. Anlass ist ein Streit um die Kehdinger Marsch an der Unterelbe. Der Uferstreifen im Landkreis Stade ist ein Europäisches Vogelschutzgebiet. Der Landkreis Stade will ihm aber nur den Status eines Landschaftsschutzgebietes zuerkennen. Die Umweltschützer halten das für gefährlich und befürchten einen Präzedenzfall. Den Landwirten ist dieser Status immer noch zu streng.

Teile der Kehdinger Marsch, insbesondere Flächen vor dem Deich, sind schon heute als Naturschutzgebiet ausgewiesen und genießen damit den höchsten Schutzstatus für Lebewesen in Deutschland. Das Gebiet hinterm Deich aber noch nicht. Hier brüten und rasten jeweils zwei Dutzend Vogelarten – von der Flussseeschwalbe bis zur Wiesenweihe, vom Goldregenpfeifer bis zum Zwergschwan. „Die Kehdinger Marsch gehört europaweit zu den wichtigsten Lebensräumen dieser Arten“, mahnt der BUND.

Niedersachsen musste die Marsch deshalb als Teil des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000 in Brüssel anmelden. Um sie effektiv mit nationalem Recht zu schützen, reiche der Status eines Landschaftsschutzgebietes nicht aus, warnt der Umweltverband. Der schwache Schutz sei sogar gefährlich, denn er öffne Tür und Tor etwa für die Jagd und die Vergrämung von Vögeln. „Er beinhaltet eine enorme Störung der Vögel und unterläuft die Erhaltungsziele des Schutzgebietes“, kritisiert Sabine Washof vom BUND Niedersachsen.

Der BUND befürchtet einen Präzedenzfall. Er lehnt eine „Degradierung von Natura-2000-Gebieten zu Landschaftsschutzgebieten“, wie er betont, „kategorisch“ ab. „Das gilt nicht nur für das EU-Vogelschutzgebiet an der Unterelbe, sondern für alle Schutzgebiete in Niedersachsen mit dieser europaweiten Bedeutung“, sagt Washof.

Was den Naturschützern nicht reicht, geht den im Landvolk vertretenen Bauern viel zu weit. Die Kehdinger Marsch wird auf vielfältige Weise landwirtschaftlich genutzt und daran soll sich auch nicht grundsätzlich etwas ändern. Doch die Bauern befürchten, dass sie der Vogelschutz so einschränkt, dass sie ihr Land nicht mehr wirtschaftlich nutzen können.

Die Landwirte machen Druck, weshalb der Landkreis über Jahre versucht hat, mit ihnen zu einer freiwilligen Vereinbarung zu kommen. „Es ist auch möglich, den Schutz vertraglich zu sichern“, sagt Hans-Hermann Bode, der Umweltdezernent des Landkreises. „Das ergibt sich aus dem Bundesnaturschutzgesetz.“ Allerdings seien auch nach langen Verhandlungen nicht alle Bauern bereit gewesen, zu unterzeichnen und am Ende habe sich das Umweltministerium quer gestellt. „Es gab eine Weisung aus Hannover, hier eine Verordnung zu machen“, sagt Bode.

„Wir sind nicht gegen eine Landschaftsschutzverordnung, sondern gegen einige inhaltliche Dinge“, beteuert Jan Hauschildt, Referent beim Landvolk. Denn der Entwurf enthalte einige Vorschriften, die eher für eine Naturschutzverordnung charakteristisch seien als für eine Landschaftsschutzverordnung und die im übrigen über die Vereinbarung hinausgingen, die zwischen den Landwirten und dem Landkreis ausgehandelt worden seien.

Kehdinger Marsch

Das künftige Landschaftsschutzgebiet in der Kehdinger Marsch würde sich ungefähr von Otterndorf bis Drochtersen erstrecken und wäre rund 6.600 Hektar groß.

Erhaltungsziel: Die Vögel, die das Gebiet so wertvoll machen, sollen dort auf lange Sicht brüten und rasten. Die dafür notwendigen Lebensräume sollen erhalten bleiben.

Landwirtschaft: Um dieses Ziel zu erreichen, heißt es im Verordnungsentwurf, sei es nötig, dass die Bauern das Land auch in Zukunft nutzten.

Dabei gehe es etwa um die Erlaubnis, die Gänse zu vergrämen, die den Bauern das erste Gras wegfräßen; oder auch um die Möglichkeit, das Grünland umzubrechen, um giftige Pflanzen zu beseitigen und wertvolle Gräser zu fördern.

„Wenn man den Vertrag und die Verordnung nebeneinander legt, sieht man, dass die einschlägigen Regeln gleich sind“, behauptet dagegen Umweltdezernent Bode. Der Unterschied sei, dass sich die Verordnung auch auf Dritte beziehe, die die Marsch nutzten, etwa Touristen oder Radfahrer. Aus diesem Grund habe auch das Ministerium letztlich eine Verordnung verlangt.

Über den Sommer werde die Verwaltung die Stellungnahmen auswerten und dann die Verordnung dem Kreistag zur Entscheidung vorlegen. Dabei sei die Überschrift im Grunde egal, findet Bode. „Wichtig ist: Welches sind die tatsächlichen Ge- und Verbote?“

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