Krise der UNO-Mission im Kongo: Gegenseitige Schuldzuweisungen
Der UN-Sicherheitsrat debattiert über die aktuelle Lage im Kongo. Dabei wird einmal mehr die Krise der Friedensmission Monusco deutlich.
„Die sich verschlechternde Sicherheitslage in der Demokratischen Republik Kongo ist beunruhigend.“ So eröffnete der Gesandte des Sicherheitsrats im Kongo, Monusco-Chef Maman Sidikou, seine Erklärung. Seine Worte sind harter Tobak: Er schildert, dass sich die ethnisch motivierte Gewalt in der Bevölkerung immer weiter ausbreitet, jüngst sogar in Landesteile, die in den vergangenen Jahren relativ stabil waren.
Indirekt beschuldigt er die Elite in der Hauptstadt Kinshasa, die ungewisse politische Situation auszunutzen und lokale Milizen für ihre Zwecke zu mobilisieren. „Das Risiko politischer Gewalt ist ebenso hoch, vor allem in den Städten“, fügt er hinzu und bringt die Tendenz mit Zahlen auf den Punkt.
Um 30 Prozent seien die Verletzungen der Menschenrechte 2016 im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. 64 Prozent dieser Verbrechen werde von staatlichen Sicherheitsorganen begangen, nur 36 Prozent von Rebellen und Milizen. Dies mache die Arbeit der Monusco vor Ort zunehmend schwieriger, da sie laut Mandat eng mit der Regierung zusammenarbeiten soll.
Diplomatische Worte
Die Monusco fokussiere daher ihr Engagement auf die logistische Unterstützung bei der Wählerregistrierung sowie der Umsetzung des Abkommens zwischen der Regierung und der Opposition, das am 31. Dezember beschlossen worden war, so Sidikou. Kurz: Die UNO im Kongo hilft, durch Neuwahlen die Präsidentschaft von Joseph Kabila baldmöglichst zu beenden.
Auch wenn die Worte von Monusco-Chef Sidikou diplomatisch daherkommen, sind sie eine Kampfansage an das Regime von Kabila, der trotz Ablauf seiner regulären zweiten Amtszeit im Dezember an der Macht festhält. Kein Wunder also, dass Kongos Regierung in ihrer Stellungnahme in New York aggressiv auftritt.
Es sei „inakzeptabel“, dass die Monusco nicht in der Lage sei, die Krise im Kongo zu beenden, donnert Léonard She Okitundu, Kongos Vizepremierminister, der gleichzeitig Außenminister ist. Die Regierung scheue keine Mühe, die Wahlen in einem „friedlichen und transparenten Umfeld“ durchzuführen. Die Monusco wiederum liefere die Wahlunterlagen verspätet aus.
Er betont, dass Kongos Armee militärisch die Funktion der UNO-Blauhelme übernommen habe, Rebellen und Milizen zu bekämpfen. Da manche UNO-Truppen sich weigerten, Informationen mit Kongos Armee zu teilen, sei die Zusammenarbeit „schwierig“. Letztlich fordert er den Sicherheitsrat auf, einen Teil der Blauhelme abzuziehen und einen Exit-Plan für die Mission vorzubereiten.
Mehr UNO-Personal gefordert
Von Truppenreduzierung will Monusco-Chef Sidikou nichts wissen. Er fordert die Aufstockung des UNO-Personals um 320 UNO-Polizisten und 36 bewaffnete Truppenfahrzeuge. Diese Forderung ist ein Eingeständnis des eigenen Versagens. Immer mehr wird gerade im Fall Kongo klar: Friedensmissionen brauchen mehr zivile Polizeikräfte statt Militär. Da müssen ganz neue Konzepte her.
Auffällig ist, dass Sidikou die Frage nach dem Verbleib der beiden im Kongo entführten UN-Experten umgeht. Er spricht das Thema nicht einmal an. Vor mittlerweile zehn Tagen verschwanden zwei Ermittler im Auftrag des UN-Sicherheitsrats spurlos in der Provinz Kasai, wo Kongos Armee mutmaßlich lokale Milizen massakriert.
Acht Massengräber wurden entdeckt. Im Gegenzug versichert Kongos Vize-Premierminister Oktitundu, seine Armee versuche die beiden zu finden. Dies klingt absurd, da faktisch die Armee die UN-Blauhelme derzeit daran hindert, die Suchaktion auszuweiten.
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