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Studien zur globalen Energiewende145 Billionen Dollar für zwei Grad

Die Energiewende ist anstrengend und kostet viel Geld – aber sie lohnt sich. Das rechnen internationale Experten im deutschen Auftrag der G 20 vor.

Modell ohne Zukunft: Braunkohlekraftwerk vor stillgelegtem Tagebau in Brandenburg Foto: dpa

Berlin taz | Die globale Energiewende sei machbar und bezahlbar, dafür müssten aber die politischen Entscheidungen schnell fallen. Investitionen in Billionenhöhe müssten in Öko-Energien und Energie-Effizienz umgeleitet werden. Das sind die zentralen Aussagen zweier Studien, die von den wichtigsten Energieagenturen der Welt, IEA und Irena, am Montag in Berlin veröffentlicht wurden.

Das Konzept zum „Investi­tionsbedarf für ein kohlenstoffarmes Energiesystem“ war von der Bundesregierung in Auftrag gegeben worden. Und es liefert der deutschen Präsidentschaft die erwünschte Vorlage, um bei der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G 20), die 80 Prozent der globalen ­Kohlendioxidemissionen ausstoßen, für eine Energiewende zu werben.

Deutschland wolle „für eine gemeinsame Position der G 20 zur langfristigen Dekarbonisierung“ werben, versicherte Außenminister Sigmar Gabriel auf der Tagung. Denn die Staaten haben sich zwar verpflichtet, den Klimawandel unter zwei Grad zu halten, aber ihre aktuellen Planungen führen zu drei Grad Erwärmung. Viele erhoffen sich ein zweites „Wunder von Elmau“, wo die deutsche Kanzlerin Angela Merkel 2015 den ­G-7-Staaten das Konzept der „Dekarbonisierung“ schmackhaft machte und zum Erfolg des Pariser Klimagipfels beitrug.

Man dürfe „keinen Widerspruch zwischen Ökonomie und Ökologie zulassen“, sagte Energieministerin Brigitte Zypries bei dem Treffen. Denn viele ­G-20-Staaten, allen voran die USA, fragen auch bei Klima- und Umweltschutz, wie damit Geld zu verdienen ist. Und prompt kommt Irena zu dem Ergebnis: „Bis 2060 können die CO2-Emissionen aus dem Energiesektor bei null sein, und zwar mit einer unterm Strich positiven ökonomischen Perspektive.“ Damit bestätigt sie, was der UN-Klimarat IPCC bereits 2014 errechnete: „Die Rettung der Erde kostet nicht die Welt“, hieß es damals, sondern verzögere das globale Wachstum nur um einige Monate.

Bislang einmalig ist die Kooperation von IEA und Irena. Die IEA hat das Potenzial der Erneuerbaren lange unterschätzt. Und auch jetzt ist sie noch vorsichtiger. Um die zwei Grad „mit 66-prozentiger Sicherheit“ noch zu schaffen, brauche es einen „Umbau des Energiesystems von außergewöhnlicher Tiefe und Schnelligkeit“ und einen „bislang nie da gewesenen Aufbau erneuerbarer Infrastruktur“.

190 Dollar für eine Tonne CO2

Dazu müsse sich die Energieeffizienz dreimal so schnell verbessern wie bisher. In die Öko-Energien und in Gas müsse bis 2050 jedes Jahr doppelt so viel Kapital investiert werden wie bisher, nämlich 3,5 Billionen Dollar. Die IEA fordert für die Energiewende eine entschlossene Politik mit deutlich höheren CO2-Preisen, „von bis zu 190 Dollar pro Tonne“, die bislang noch bei fünf Euro liegen.

„Ist diese Energiewende einfach?“, fragte IEA-Chef Fatih Birol. „Bis 2050 brauchen wir 95 Prozent des Stroms, 70 Prozent aller neuen Autos und jeden zweiten Truck CO2-frei, jedes einzelne Gebäude muss energetisch saniert sein.“

Bis 2050 muss 95 Prozent des Stroms CO2-frei sein

Fatih Birol, IEA-Chef

Für Irena ist die Aufgabe ebenfalls groß, sie ist aber optimistischer: Bei Gesamtinvestitionen von etwa 145 Billionen Dollar ins Energiesystem bis 2050 koste die Energiewende jährlich knapp eine Billion mehr als „dreckige“ Technologie. Sie spare aber „das Doppelte bis Sechsfache davon durch vermiedene Kosten bei Gesundheit und Umwelt“.

Irena rechnet mit weltweit sechs Millionen neuen Jobs und einem zusätzlichen globalen Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent 2050. IEA und Irena streiten über Gas als „Brücke zu den Erneuerbaren“ oder den Einsatz der CO2-Lagerung (CCS). Beide aber warnen, dass zögerliche Entscheidungen in der Politik zu Investitionen führe, die sich langfristig nicht rechnen: Wenn es schnell gehe, so Irena, lägen die bis 2050 nur bei zehn Billionen, bei Verzögerung doppelt so hoch.

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19 Kommentare

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  • Kann mir Irgendjemand erklären, wo diese ominösen 2 Grad herkommen?

  • Für 145 Billionen könnte man auch den Lebensstandard vieler Menschen deutlich steigern. Kein Wunder das nur in den westlichen Staaten Leute über diesen Quark diskutieren. In vielen Ländern kochen die Leute noch auf offenen Feuerstellen, die brauchen sich über Luftverschmutzung durch Fabriken oder Autos keine Sorgen zu machen. Kläranlagenbau, Herde und Waschmaschinen in diese Länder flächendeckend zu bringen würde deutlich mehr helfen, die Wirtschaft genauso ankurbeln und deutlich besser für die Menschheit sein....

    • @Dideldidum:

      Klar, wenn man auf dem wissensstand der teletubbies surft - kauft mehr waschmaschinen! oder wollten wir nicht gerade die welt retten?

      Bitte mal kurz erklaeren, warum menschen, die keinen zugang zu naturwissenschaften haben, sich immer fett und breit in die diskussion einmischen wollen. interessiert mich, ich komm nicht dahinter!

  • "jedes einzelne Gebäude muss energetisch saniert sein"

     

    Na dann. Freuen wir uns auf Altstädte in Wärmedämmverbundsystemen, Grunderzeitviertel im Polystyrol-Look, den Louvre als vollverdämmte Schachtel.

    • @TurboPorter:

      na sie haben aber das haar in der suppe schnell gefunden!

      nur ne kleine nachfrage: sie wissen schon noch, worum es bei diesem artikel ging?

    • @TurboPorter:

      Zumindest im Westen sind ein großer Teil der Altbauviertel und Gründerzeitviertel schon lange, im Zuge der Gentrifizierung, enegetisch saniert worden.

      • @somos_más:

        Na ja, wenn man richtig gentrifiziert hätte - echte Wohlhabende reingesetzt statt Alnatura-Kleinbürgertum -, dann hätte man sich auch eine denkmalschutzverträgliche Sanierung leisten können: mit Stuckelementen statt Rauhputz-seidenmatt, mit Vakuumdämmplatten statt Schaumstoff, mit Holzfenstern statt PVC-dicke.

         

        Jedenfalls kein Grund, so weiterzumachen.

  • Welche Rolle spielt in diesen Gutachten die Atomenergie als CO2 neutrale Alternative? Nur Deutschland ist ausgestiegen und unsere Nachbarn setzen voll drauf.

     

    "...jedes einzelne Gebäude muss energetisch saniert sein." Die wird die Kosten für das Wohnen erheblich verteuern. Sind in den 145 Billionen lediglich die Sanierungskosten eingerechnet oder die langfristige Erhöhung der Miete? Bestimmte Bestandsgebäude können schlichtweg nicht energetisch saniert werden.

    • @DiMa:

      dima, you´re fake news!

       

      welche nachbarn setzen bitte voll drauf?

       

      schon den guardian artikel gelesen - die UN fordert die UK auf, alle baumassnahmen fuer den neuen reaktor hinkley point sofort zu stoppen.

      • @the real günni:

        Sorry, "die UN fordert die UK auf..." Ergo setzt die UK auf Atomernergie.

      • @the real günni:

        Die Engländer und Franzosen setzen voll auf Kernenergie.

    • @DiMa:

      Im Grunde werden die Eigentümer von Einfamilienhäusern enteignet. Sie können ihre Häuser kaum noch erhalten, da durch die Anforderungen der ENEV jede Sanierungs- oder Instandhaltungsmaßnahme erheblichen Aufwand beinhaltet. Verkaufen kann man diese Häuser auch nicht mehr.

      • 8G
        81331 (Profil gelöscht)
        @Energiefuchs:

        ...also echt, "die Eigentümer von Einfamilienhäusern" werden enteignet? Kein Besitzer eines EFH wird gezwungen, dieses energetisch zu sanieren. Und Häuser, energetisch nicht auf dem neuesten Stand sind kann man nicht verkaufen? Vielleicht wenn das Haus irgendwo in der Pampa steht, wo sowieso keiner wohnen will. Sie Scherzkeks.

        • @81331 (Profil gelöscht):

          Tja Virilio, da haben Sie die Entwicklung der Energiesparverordnung verschlafen. Die wird sich in den kommenden Jahren sicher nicht zu Gunsten der Eigentümer ändern.

           

          Die Sanierung meines Hauses wollte im Übrigen kein Unternehmen übernehmen. Ich habe eine Gewährleistungsfrist von 30 Jahren mit entsprechender Bankbürgschaft verlangt. Kein Unternehmen hat die Ausschreibung beantwortet.

        • @81331 (Profil gelöscht):

          Da kennen Sie sich aber schlecht aus. Lesen Sie doch, nur als *ein* Beispiel, §10 der Energieeinsparverordnung, da sind schon eine Reihe von Pflichten zur "Sanierung" aufgeführt.

  • Die Macht der großen Zahlen: 6 Mio neue Jobs sind dann bei 60 beteiligten Staaten 100.000 pro Land. Soviele junge Männer beenden in Indien mindestens jedes Jahr ein Ingenieurstudium.

    • @Energiefuchs:

      ja und? 100.000 Stellen pro Land ist immer noch besser als gar keine. Und immerhin hätten dann (rein rechnerich) die neuen Ingenieure in Indien schon mal einen Job.

      • @Artur Möff:

        Jetzt müsste man von den 6 Millionen noch diejenigen Jobs abziehen, die wegfallen sollen - Coal India hat etwas unter 400.000 Mitarbeiter, China 1.3 Millionen.

         

        Die Versprechungen in Deutschland haben wir ja auch noch alle im Ohr, und was ist von den ganzen Solarfirmen und Windanlagenbauern geblieben? Eben.

      • @Artur Möff:

        Die aus einem Jahr. Ich sagte nicht, dass das schlecht ist, sondern dass das Motto "EE schafft Arbeitsplätze" Augenwischerei ist. Die einzige Lösung, falls wir den C02 Ausstoß verringern wollen, ist weniger Industrialisierung und mehr Handarbeit. Da sind sie beschäftigt und machen gar kein C02. Ist halt nicht so lustig, wie am PC zu konstruieren.