Leuchten der Menschheit von Tim Caspar Boehme: Ein Film-Monster im Weißen Haus
Für eine kurze Zeit schien die Wahl Donald Trumps zum Präsidenten der USA nicht real. Noch bei der Ankündigung seiner Regierungsbildung wirkten die Ereignisse wie ein schlechter Scherz. Jetzt, da Trump im Amt ist und mit ersten Dekreten deutlich gemacht hat, wohin die Reise bei ihm geht, dürften die letzten Zweifel ausgeräumt sein. Doch, doch, das geschieht alles vor unser Augen, und es ist kein Film.
Die Verwirrung über das, was sich unter Trump neuerdings in den USA abspielt und schon erste globale Wirkungen zeitigt, könnte aber durchaus mit einer Verschiebung der Wirklichkeit zu tun haben. Wobei das dreiste Verkünden „alternativer Fakten“ lediglich einen Teil dessen bildet, was man das Hervorbringen einer alternativen Wirklichkeit nennen könnte.
So deutet der Autor Georg Seeßlen die jüngsten US-amerikanischen Entwicklungen in seinem Buch „Trump! Populismus als Politik“ (Bertz 2017): „Politik heißt, auf Wirklichkeit reagieren, schlecht oder recht, Trumpismus heißt, eigene Wirklichkeiten zu errichten, jenseits der großen Erzählungen von Vernunft und Moral.“
Tatsächlich sieht Seeßlen in der Figur, die Trump verkörpert, eine Montage verschiedener Gestalten der populären Mythologie, wie sie vor allem im Hollywood-Kino vorkommen. Eine davon ist das Monster, ein Geschöpf, in dem sich die Träume der vom Establishment Enttäuschten unheilvoll verdichten: „Man liebt das Ungeheuer für das Glitzern der Angst in den Augen jener, von denen man sich herabgesetzt fühlt, aber auch für die Spur der Verwüstung, die es hinterlässt.“ Man darf besorgt sein über die Wirklichkeit nach Trump.
Seeßlens Buch ist zwar nach der Wahl, aber erst kurz vor der Amtseinführung Trumps erschienen. Dennoch liest sich Seeßlens Analyse immer noch treffend. Wer Trump verstehen will, sollte es ihm gleichtun und mehr fernsehen.
Der Autorist Filmredakteur der taz
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