Nerzfarm in Schleswig-Holstein ist dicht: Die Käfige sind leer
Die letzte Pelzfarm in Schleswig-Holstein macht freiwillig dicht. Dabei hatte sich die Farm jahrelang gerichtlich gegen Tierschutz-Auflagen gewehrt.
Es habe „wirtschaftliche Gründe“, dass sein Bruder Nils Sörnsen und er die Zucht der Nerze einstellten, mit der schon ihr Vater 1968 an diesem Standort begann und die die letzte in Schleswig-Holstein war, sagt Carsten Sörnsen. „Der Markt ist woanders.“ Das Geschäft lohne sich nicht mehr. Mit den erhöhten Tierschutzauflagen und damit verbundenen Kosten für den Umbau habe die Entscheidung nichts zu tun, sagt er.
Im Jahr 2006 änderte der Bundestag die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung und verfügte, dass die Betreiber von Pelztierfarmen in drei Etappen eine tierschutzgerechtere Haltung umsetzen müssen. Für Nerze sind jetzt etwa größere Käfige mit Klettermöglichkeiten und Schwimmbecken vorgeschrieben (siehe Kasten).
All das wollte die Sörnsen GmbH in ihrem Betrieb, in dem bei voller Belegung laut Veterinäramt rund 20.000 Tiere lebten, nicht umsetzen. Der Kreis Plön entzog der Farm deshalb im Jahr 2011 die Erlaubnis zur Haltung – doch die Sörnsens zogen vor Gericht. Vor dem Oberverwaltungsgericht Schleswig schließlich bekamen die Betreiber recht. Das Gericht urteilte, dass die verschärften Bestimmungen zum Tierschutz einem Berufsverbot gleichkämen, da die Haltung von Nerzen so nicht mehr wirtschaftlich sei. Das wiederum wollte der Landkreis nicht akzeptieren. Im Januar ließ das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig die Revision zu. Aber zu einem Urteil kommt es nun nicht mehr.
Die Tierschutz-Nutztierverordnung wurde im Jahr 2006 verschärft. Die Pelztier-Produzenten kritisierten ein Verbot durch die Hintertür, da eine wirtschaftliche Haltung der Tiere mit den neuen Anforderungen nicht mehr möglich sei.
Mindestens einen Quadratmeter pro Tier müssen Nerze haben und der Käfig muss mindestens drei Quadratmeter groß sein.
Reine Drahtkäfige sind verboten. Der Boden muss mindestens zur Hälfte fest sein.
Ein Schwimmbecken ist für die Tiere vorgeschrieben. Zudem brauchen sie Kletter- und Beschäftigungsmöglichkeiten.
Die Käfighöhe muss mindestens einen Meter betragen. Zuvor konnten sich die Tiere oft nicht richtig aufrichten.
„Wie das vor Gericht ausgegangen wäre, wusste keiner so richtig“, sagt der Veterinär Michael Görgen, der sich die Nerzfarm nach der Schließung für den Landkreis angesehen hat. „Alle Käfige sind leer“, bestätigt er. Zwar habe der Betreiber die Gehege vergrößert, doch die neuen Auflagen seien nicht erfüllt gewesen. Im Januar habe die Sörnsen GmbH die letzten Zuchttiere mit Kohlenmonoxid getötet.
Edmund Haferbeck von der Tierrechtsorganisation Peta ist überrascht, dass die Betreiber tatsächlich aufgegeben haben. „Das ist nicht irgendeine Nerzfarm, sondern das Sprachrohr der Branche“, sagt er. „Die sind angetreten, um die Gesetzlichkeiten auszuhebeln.“
Der Tierschützer ist für ein grundsätzliches Verbot. Pelztiere seien noch immer Wildtiere mit einem großen Freiheitsdrang. „Das ist Tierquälerei ohne Ende.“ Doch trotz aller Kampagnen gegen Pelz wachse der Konsum seit einigen Jahren stetig, sagt Haferbeck, der dafür nicht nur die Textilindustrie kritisiert. Vielen Konsumenten sei nicht klar, dass die Tiere auch für einen kleinen Bommel oder einen Kragen „in Gänze sterben müssen“.
Ähnlich sieht das der grüne Landwirtschaftsminister Schleswig-Holsteins, Robert Habeck: „Ein Pelzmantel ist kein elementares Grundbedürfnis, sondern ein schieres Luxusgut.“ Schon 2015 brachte er einen Antrag zum Verbot der Pelztierhaltung in den Bundesrat ein. Der verwies den Vorschlag an den Bundestag. Seither ist nichts passiert. „Die große Koalition im Bund blockiert hier und verschleppt den klaren Auftrag der Länderkammer“, sagt der Landwirtschaftsminister.
Dennoch zeigt der Druck auf die Pelzindustrie scheinbar Wirkung. Auch die beiden verbliebenen Pelztierfarmen in Mecklenburg-Vorpommern wollen nach einem Vergleich mit dem Land zum Ende des Jahres ihren Betrieb einstellen, berichten die Norddeutschen Neuesten Nachrichten. Schätzungen von Tierschützern zufolge lebten in den beiden Standorten noch mehr als 30.000 Nerze. Bundesweit sollen es rund 100.000 sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“