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Studie zu Chancengleichheit an SchulenMigranten haben es schwerer

Eine neue Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt: Die Gefahr, zum Schulabbrecher zu werden, ist für Migranten noch einmal gestiegen.

Wie stehen ihre Chancen? Foto: dpa

Berlin taz | Die Pisa-Studie 2015 war für deutsche Schulen kein Glanzstück. Besonders negativ: In Deutschland hängen Bildungschancen besonders stark vom sozialen Milieu und vom Migrationshintergrund ab. Die Bertelsmann Stiftung veröffentlichte am Mittwoch die neue Ausgabe der „Chancenspiegel“-Studie, die sich mit diesem Problem seit Jahren beschäftigt. Die diesjährigen Themenschwerpunkte sind Sprachförderung, Ganztagsschulen und regionale Unterschiede.

Gerade bei der Sprachförderung stellt Wilfried Bos von der TU Dortmund eine besonders starke Benachteiligung von Schülern mit Migrationshintergrund fest. In Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern habe sich die Entwicklung zwischen 2009 und 2015 sogar stark verschlechtert. „Ostdeutsche Länder haben seltener Migranten als Schüler, aber die haben es besonders schwer“, sagt Bos.

Deutschlandweit ist der Anteil der Ausländer, die ohne Abschluss die Schule verlassen, zuletzt leicht gestiegen auf nun 12,9 Prozent. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer der 150.000 Schulabbrecher ohne Ausbildung später arbeitslos werde, sei bei Ausländern drei- bis viermal höher als bei Schülern mit deutschem Pass, sagt Jörg Dräger aus dem Vorstand der Bertelsmann Stiftung.

Bos merkt dazu an, dass für diese Zahlen nur Migranten ohne deutschen Pass gesondert erfasst würden. Bei einer Erfassung aller Kinder mit Migrationshintergrund sei die Quote wahrscheinlich noch höher. Dieser Fehler in der Erhebung sei seit 18 Jahren bekannt, passe aber zum Umgang der Länder mit ihren Daten. Bei ihnen herrsche die Einstellung vor: „Bundeländervergleiche hassen wir wie die Pest.“ Ein Sprecher der Kultusministerkonferenz entgegnet: „Seit der ‚empirischen Wende‘ in der Bildungsforschung sind – auch mit Unterstützung der Länder – die Bestände an Bildungsdaten enorm gewachsen.“

Bedarf an Förderplätzen

So werde der Bedarf an Förderplätzen für Schüler in Bremen zentral erhoben und in Hamburg erhebe jede Schule den Bedarf für sich. Da daran Fördergelder hängen, sei in Hamburg der Bedarf sprunghaft angestiegen.

Bei den Ganztagsschulen sind die Länderunterschiede groß. In Sachsen liegt der Anteil der Ganztagsschüler bei 80 Prozent, in Bayern nur bei 15. Ganztagsschulen habe sich aber bewährt, so Dräger, denn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf habe sich verbessert. Allerdings hänge eine Leistungssteigerung immer auch mit der Qualität der Schulen zusammen. Im gebundenen Modell, bei dem Lehrer eine pädagogische Betreuung anbieten, sei diese höher als im offenen Modell, so Dräger. Dort komme es vor, dass Mitarbeiter ohne pädagogische Ausbildung die Schüler nur beaufsichtigten, wirft Bos ein.

Nils Berkemeyer von der Universität Jena sagt: „Einen Mindeststandard herzustellen, ist nicht so schwierig.“ Das zeigten auch die Erfolge, die seit der ersten Pisa-Studie 2002 zu verzeichnen seien. Die Unterschiede zwischen den Ländern aber dürften nicht weiter wachsen.

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3 Kommentare

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  • Prävention ist das Modewort im Bildungspolitischen Diskurs geworden - die Dinge sollen gar nicht erst so schlecht werden, deshalb früh eingreifen und gegensteuern.

     

    Aber nicht bei der Bildung, weil die miesen Ergebnisse sich eben in die pyramidenartige, soziale Wirklichkeit Deutschlands einpassen: Wenn die Migranten nicht Unten sind, wer wird dann zum Bodensatz gemacht?

     

    Das ist doch der widerliche Punkt, warum es diese Benachteiligung noch gibt. Und es hat nicht nur mit Sprachfähigkeit oder Muttersprache zu tun, sondern es geht auch darum, dass die Migranten-Eltern eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, von H4 oder einem Niedriglohn (Niedrigprofit) zu leben.

     

    Das wirkt sich nämlich auch negativ auf das Lern- und Bildungsverhalten aus. Wenn Papa sechs Tage die Woche täglich 8 bis 11 Stunden Pakete ausfährt, hat er nicht mal Zeit, den Kindern 'seine' Kultur oder Lebensphilosophie beizubringen.

     

    Eine deutsche Mittelklassefamilie wird fast immer aus zwei ArbeitnehmerInnen bestehen - bei armen (oft migrantischen) Familien ist der Zwang dazu noch größer. Zeit für Kinder oder Kontrolle oder Unterstützung für Kinder wird zu einer echten Herausforderung in solchen Strukturen.

     

    Solche Fragen hängen eng mit der Bildungspolitik zusammen. Und die deutsche Schule glättet nicht soziale Gegensätze, sondern sie verstärkt sie, was schon daran liegt, dass die Lehrerschaft fast nie migrantisch ist und fast immer der deutschen Mittelklasse entstammt.

     

    In den armen Stadtteilen dieses Landes stehen sich regelmäßig zwei Welten gegenüber und die eine Welt hat den Auftrag, die andere zu erziehen, was dort nicht selten als eine Form der Beherrschung oder Unterdrückung wahrgenommen wird.

  • Es ist ja in gewisser Weise auch logisch, dass der soziale und gesellschaftliche Hintergrund hier einen großen Einfluss haben kann. Wenn die Sprache im Familienkreis zum Beispiel nicht Deutsch ist, muss sich das ja fast zwangsläufig auf die Sprachfertigkeit auswirken. Auch die dann oft fehlende Fähigkeit des Elternhauses die Kinder zu unterstützen macht sich dann natürlich bemerkbar. Kommen dann noch eventuell kulturelle Eigenschaften hinzu, die es teilweise Frauen schwerer machen, dann wird es noch schwerer. So könnte man das noch fortsetzen.

     

    Da ist nun keinesfalls negativ gemeint in Bezug auf Migranten und andere Kulturen, es soll lediglich ein sachlicher Erklärungsversuch sein, warum der prozentuale Anteil in dieser Bevölkerungsgruppe höher ist. Was auch nicht bedeutet, dass es unter Migranten nicht auch sehr erfolgreiche Menschen gibt.

  • Viele Migrantinnen und Migranten berichten davon, dass sie es sehr schwer haben, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Und das obwohl sie im Vergleich zu den anderen Bewerbern oft deutlich bessere Voraussetzungen haben. Unsere Bundeskanzlerin, Frau Angela Merkel hat sich ebenfalls dazu geäußert, dass viele Migrantinnen und Migranten bei der Arbeitsplatzsuche es sehr schwer haben.