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Ein Krankenhaus, das Gesundheit fördert

Alternative Medizin Eine Hamburger Initiative will ein Bürgerkrankenhaus für integrative Medizin gründen. Dort soll es auch naturmedizinische Behandlungen geben

Könnte in einem Bürgerkrankenhaus in der Krebstherapie eingesetzt werden: die Mistel Foto: Abb.: Otto Wilhelm Thomé: Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz

von Bettina Levecke

Den Patienten in den Mittelpunkt stellen, seine Wünsche beachten, nicht nur die Krankheit behandeln, sondern auch die Gesundheit fördern: Bis Ende 2015 konnten sich Hamburger Bürger, die sich eine ganzheitliche Gesundheitsbehandlung wünschten, in der Station für integrative Medizin in der Asklepios Klinik in Hamburg-Rissen, aufnehmen und behandeln lassen. Die Station ergänzte die schulmedizinische Behandlung um zahlreiche alternative und anthroposophische Prinzipien wie zum Beispiel Homöopathie, Mal- und Musiktherapie, rhythmische Massage oder Heil­eurythmie.

Der Ruf der Station war gut und reichte über die Grenzen Hamburgs hinaus, doch die Klinikleitung beschloss trotzdem, die Station zu schließen. Das alternative Heilprojekt war offenbar nicht wirtschaftlich genug – trotz vieler Spenden und Fördermittel. Seit 2010 wurde die Station in Rissen zum Beispiel vom Freundeskreis erweiterte Heilkunst e. V., einem Zusammenschluss von Patienten, Angehörigen und Mitarbeitern, finanziell unterstützt und auch von der Victor-Thylmann-Gesellschaft e. V., die sich der Förderung der anthroposophischen Medizin in Hamburg verpflichtet hat.

Das Aus der Station sorgte nicht nur bei diesen Fördervereinen für Empörung. Kaum war die Umwandlung der Rissener integrativen Station in eine ge­riatrische Station abgeschlossen, formierte sich deshalb ein Initiativkreis, der die Entscheidung des Klinikkonzerns nicht tatenlos hinnehmen wollte.

Mitglieder beider Vereine, ehemalige Patienten, Mitarbeiter, Menschen aus sozialen Berufen, Medizinstudenten und andere interessierte Bürger fanden sich zusammen, um sich die Frage nach einem Plan B zu stellen. Im Dezember 2015 gab es die Auftaktveranstaltung mit über 100 Besuchern, bereits im Januar entstanden die ersten Arbeitsgruppen, um der Bürgerinitiative eine Struktur und Richtschnur zu verpassen.

Das Ziel war für alle Beteiligten schnell klar: „Wir wollen ein Bürgerkrankenhaus für integrative Medizin in Hamburg“, sagt Birgit Volkerding aus der Kerngruppe der Initiative. „Wir wollen einen Ort schaffen, den jeder besuchen darf und an dem jeder die Behandlung bekommt, die seinem individuellen Bedürfnis entspricht. Und wir wollen ein Krankenhaus, in dem das Gesundheitswohl des Menschen und nicht die reine Wirtschaftlichkeit des Unternehmens im Vordergrund steht.“

Noch steckt der Initiativkreis in den Kinderschuhen, denn der Weg zum großen Projekt ist weit. Doch die groben Rahmenbedingungen sind gesteckt: Es soll eine in sich geschlossene, integrative Einrichtung werden, in einem Einzelgebäude oder einer Station, basierend auf einer umfassenden naturmedizinischen und komplementären Behandlung. Die stationäre Behandlung soll eng verknüpft werden mit ambulanten Angeboten und Therapien. „Damit die Menschen nicht plötzlich alleine dastehen, wenn sie aus dem Krankenhaus entlassen werden“, sagt Volkerding.

„Wir wollen einKrankenhaus, in dem das Gesundheitswohl des Menschen und nicht die reineWirtschaftlichkeit des Unternehmens im Vordergrund steht“

BIRGIT VOLKERDING, INITIATIVE BÜRGERKRANKENHAUS

Die Verwaltung soll flache Hierarchien und die grundlegende Mitbestimmung von Patienten und Bürgern mitbringen. „Wir wollen in engen Teams miteinander arbeiten.“ Langfristig soll sich das Bürgerkrankenhaus dabei möglichst selbst tragen, vielleicht in Form einer Stiftung. „Da müssen wir natürlich noch sehen, welcher Weg sich eignet, das Projekt zu finanzieren“, sagt Volkerding, die auch auf die große Spenderkraft Hamburgs hofft. „Es gibt hier zum Glück viele Menschen, die sich für bürgerfreundliche Ideen und Maßnahmen engagieren.“

Aktuell arbeitet die Bürgerbewegung daran, eine passende Rechtsform zu finden, um die weiteren Schritte und Entscheidungen angehen zu können. Für dieses Jahr sei zudem ein intensiverer Austausch mit anderen Bürgerinitiativen und bereits bestehenden alternativ arbeitenden stationären Stationen geplant, sagt Volkerding.

„Im Frühjahr oder Sommer werden wir auch eine neue Info­veranstaltung in Hamburg machen, um über unsere bisherige Arbeit zu berichten und natürlich auch, um neue Mitstreiter zu gewinnen.“ Denn: Für die vielen verschiedenen Aufgaben in den Arbeits- und Recherchegruppen sind nach wie vor viele helfende Hände gefragt. „Wir freuen uns daher sehr über Menschen, die Lust haben, mitzumachen und uns beim Aufbau des Bürgerkrankenhauses zu unterstützen.“ Willkommen ist jeder – ganz besonders gesucht werden derzeit Menschen mit Erfahrung in Gesundheitsökonomie.

Weitere Informationen zur Initiative im Internet auf www.initiative-buergerkrankenhaus.de

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