piwik no script img

Populismus statt Diskurs in BremenEin Podium für Rechtsaußen

Zu einer Podiumsdiskussion zum Thema „Arisierung“ lädt Radio Bremen ausgerechnet einen Höcke-Fan von der „Jungen Alternative“ ein.

Kann sich der Unterstützung des Parteinachwuchses sicher sein: AfD-Rechtsaußen Björn Höcke Foto: dpa

BREMEN taz | Unter der Fragestellung „Das Geschäft mit der ‚Arisierung‘ in Bremen – Wie erinnern an die Ausplünderung der verschleppten und geflüchteten Juden?“ veranstaltet Radio Bremen für seine Reihe „Nordwestradio unterwegs“ am ersten März eine Podiumsdiskussion. Eingeladen ist auch ex-taz-Redakteur Henning Bleyl, Initiator des geplanten Bremer „Arisierungs“-Mahnmals, doch der hat jetzt seine Teilnahme abgesagt. Der Grund: Auch Marvin Mergard, stellvertretender Vorsitzende der Jungen Alternative (JA) Bremen, soll aufs Podium.

Bei der Veranstaltung gibt es ein „reguläres“ Podium, das in diesem Fall aus Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz (SPD), Dieter Leuthold vom Institut für Unternehmensgeschichte der Hochschule Bremen, Bleyl und Mergard bestehen sollte, sowie einer „ersten Reihe“: Hier sitzen ebenfalls eingeladene Gäste, die aus dem Zuschauerraum an der Diskussion beteiligt werden. „Eigentlich sollte ich dort hin“, sagt Bleyl. Und auch Marvin Mergard war für die „erste Reihe“ eingeladen. „Bereits das fand ich schon merkwürdig“, so Bleyl.

Als dann aber am Dienstag ohne Angabe von Gründen die Gäste-Platzierungen geändert wurden, reichte es ihm: „Plötzlich wurden wir aufs Podium umgesetzt – das ist eine riesige Aufwertung“, sagt Bleyl. Denn das Podium sei ein exponierter Platz: „Da ist die Verhältnismäßigkeit einfach nicht mehr gewahrt.“ Bleyl sagte seine Teilnahme ab: „Ich möchte das komplexe Thema nur mit Leuten diskutieren, die zumindest die historischen Dimensionen der Judenverfolgung anerkennen.“ Das sei bei der JA nicht der Fall. Die Bremer „Mahnmal-Diskussion (taz berichtete) sei „auch ohne Zutaten von rechtsaußen spannungsreich genug“, so Bleyl.

Die Bremer JA, also die Jugendorganisation der AfD, hat sich erst im Oktober gegründet und ist noch recht unbekannt. Zum geplanten „Arisierungs“-Mahnmal in unmittelbarer Nähe des Neubaus von Kühne+Nagel hat sie sich allerdings in Form einer Pressemitteilung wortreich geäußert: „Keine 3 Wochen sind seit Björn Höckes umstrittener Dresdener Rede vergangen“, heißt es da, „und schon zeigt sich in Bremen warum es bitter nötig ist, das Thema Holocaust, Kollektivschuld, Gedenken und Vergessen in den Mittelpunkt des Politischen in Deutschland zu rücken.“ Über die Mahnmal-Befürworter schreibt die JA: „Ihr Bestreben ist die ‚Monumentalisierung der Schande‘, die Aufrechterhaltung der ewigen Schuld.“

Bremer JA spricht von „großem Austausch“

Nicht nur die Bremer JA, auch Mergard selbst bekennt sich in den einschlägigen sozialen Netzwerken zu Björn Höcke – einem AfD-Politiker, der so weit rechts außen steht, dass er spätestens seit seiner „Dresdner Rede“ selbst innerhalb der AfD heftig umstritten ist. Die Bremer JA nennt die deutsche Einwanderungspolitik einen „großen Austausch“ und spricht davon, dass „Deutschland stirbt.“

Nordwestradio-Redakteurin Franziska Rattei sagt auf Anfrage der taz: „In unserer Podiumsdiskussion geht es darum, möglichst unterschiedliche Positionen zu einem streitbaren Thema gegenüberzustellen.“ Zu den konkreten Gründen für die kurzfristige Änderung der Besetzung – ursprünglich sollten auch die Grünen-Politikerin Kirsten Kappert-Gonther und die Linken-Politikerin Miriam Strunge aufs Podium – sagt sie lediglich: „Es geht nicht um Parteienproporz auf dem Podium.“

Und zur Absage Bleyls teilt Rattei mit: „Falls Henning Bleyl wegen der Präsenz von Marvin Mergard nicht teilnehmen möchte, ist es möglich, dass seinen Platz ggf. eine andere Person mit verwandter Position einnehmen wird. Marvin Mergards Teilnahme an der Podiumsdiskussion bleibt davon unberührt.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!