Doppelte Staatsbürgerschaft in Frankreich: Blind vor lauter Trump
Marine Le Pen will im Falle eines Wahlsiegs keine doppelten Staatsbürgerschaften aus Nicht-EU-Ländern mehr. Und kaum jemanden interessiert's.
Als große Europafreundin ist Marine Le Pen nicht bekannt. Doch alles andere ist nun mal noch schlimmer. Deswegen will die Präsidentschaftskandidatin des rechtsextremen Front National im Falle eines Wahlsiegs doppelte Staatsbürgerschaften untersagen, wenn der zweite Pass der eines Nicht-EU-Staates ist. Diesen Plan bekräftigte Le Pen vergangene Woche in einer Talkshow des französischen Senders France 2. Für Russland solle das aber nicht gelten.
Russland habe „seinen Platz“ innerhalb des „Europas der Nationen“, die „frei und souverän“ seien, erklärte Le Pen. Betroffen hingegen wären französische Juden und Jüdinnen mit israelischem Pass. Diese müssten wählen, sagte Le Pen. Sollten sie sich gegen die französische Staatsbürgerschaft entscheiden, müssten sie das Land aber nicht zwingend verlassen: Frankreich könne „sicherlich dauerhaft Fremde auf seinem Boden beherbergen“, solange diese die französischen Gesetze und Werte respektierten – das sei „oft ein Problem beim Thema Migration“.
Der Zeitung Times of Israel zufolge gibt es in Frankreich Tausende jüdische Staatsbürger*innen mit israelischem Pass. Viele sind in den vergangenen Jahren wegen des wachsenden Antisemitismus im Land nach Israel ausgewandert. In israelischen Zeitungen riefen Le Pens Äußerungen Empörung hervor. Europäische Medien blieben zunächst weitestgehend still.
Dabei beträfen Le Pens Pläne auch all die Französ*innen, die etwa einen marokkanischen, algerischen, tunesischen oder senegalesischen Pass haben. Die Rede ist hier von mehreren Millionen Menschen, deren Familien irgendwann aus den ehemaligen französischen Kolonialgebieten immigrierten.
In beiden Fällen geht es nicht um kürzlich eingewanderte Menschen. Le Pens Äußerungen markieren diese Mitglieder der Gesellschaft als Fremde, als Bedrohung. Nichts Neues für den Front National – doch vor lauter Trump-Hysterie sollte der Rassismus der möglicherweise nächsten Präsidentin Frankreichs nicht vergessen werden.
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