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Weltcupsieg für 1860 MünchenDer Lohn ist Spott

Ein echter 60er: Linus Strasser siegt in Stockholm Foto: reuters

Kulturbeutel

von Andreas Rüttenauer

Der deutsche Sportverein ist ohne Zweifel ein Kulturgut. Über 90.000 Klubs gibt es in Deutschland. Sportfreunde, deren Leidenschaft es ist, Ergebnislisten größerer Wettkämpfe zu studieren, wissen um die Vielfalt des deutschen Vereinslebens. Der Sieger mag aus den USA kommen, der Zweitplatzierte aus Russland, Frankreich oder Norwegen, und wenn der Dritte aus Deutschland stammt, dann kommt er vielleicht vom MTV Mannheim, vom KTV Obere Lahn, vom SC Ruhpolding oder von der LG Offenburg.

Wer schon einmal durch eine Stadt gelaufen ist, in der das Deutsche Turnfest stattgefunden hat, der wird sich vielleicht gefreut haben über die vielen lustigen Vereinsnamen auf den Trainingsjacken der angereisten Sportler und muss gewiss lächeln, wenn ihm heute ein Flüchtling begegnet, der das Logo des SV Sommerloch, des ASV Einigkeit Süchteln oder des SV Alzheim auf abgetragenen Sportklamotten aus der Kleidersammlung trägt. Ganz laut aufgelacht hat ganz Sportdeutschland über den Überraschungssieger des Weltcup-Parallelslaloms von Stockholm am Dienstagabend. Denn Linus Strasser startet für den TSV München von 1860 e. V.

In den Respekt für den ersten Weltcupsieg des Münchners mischte sich umgehend Häme über seinen Heimatverein. Der ist als vielleicht der am schlechtesten geführte Fußballklub des Landes in Verruf geraten. Nachrichten aus der TSV 1860 München Kommanditgesellschaft auf Aktien haben so gut wie immer das Zeug zur Posse. Und so ist Strasser zur unfreiwilligen Witzfigur geworden.

Nur ein paar Stunden, bevor der Techniker den größten Erfolg seiner Karriere gefeiert hat, wurde der Bild-Zeitung, der tz und dem Münchner Merkur die Dauerakkreditierung für die Spiele der Zweitligafußballer des TSV entzogen. Sie hatten wohl allzu kritisch über die schleichende Totalübernahme der Fußballabteilung durch den jordanischen Investor Hasan Ismaik berichtet. Der führt die Profiabteilung längst nach Gutsherrenart, obwohl über deren Wohl und Wehe nach der 50+1-Regel der Deutschen Fußballliga eigentlich der e. V. entscheiden müsste. Der von Ismaik eingesetzte Geschäftsführer Anthony Power begründete den Entzug der Dauerakkreditierung in beinahe schon Trump’scher Manier damit, dass „aufgrund der Berichterstattung in den letzten Wochen und Monaten derzeit keine Basis für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit” bestehe.

Die Witzmaschine im Netz konnte anlaufen. Darf die Bild-Zeitung über Strassers Sieg berichten? Muss die tz sich bei der Berichterstattung auf Augenzeugen berufen? Darf der Merkur Linus Strasser wohl zitieren? Und weil beim TSV gerade darüber spekuliert wird, ob Ismaik seine Anteile an der ohne Investor nicht überlebensfähigen Profiabteilung von 60 auf70 Prozent aufstockt, kam schnell die Frage auf, welche Anteile Ismaik wohl an Strasser hält – und welche Anteile genau das dann sein könnten: die Beine und der Kopf, die Arme und der Rumpf oder von allem etwas. Was haben wir gelacht!

Und doch ist es ernst. Der gute alte Vereinssport, der in vielen Abteilungen bei 1860 betrieben wird, kann zum Opfer des Missmanagements in der Fußballabteilung werden. Ein Kulturgut ist in Gefahr. Und ein Kulturgut ist der TSV nicht allein deshalb, weil der Klub 1966 Deutscher Fußballmeister war. Er ist auch deshalb ein Kulturgut, weil sein Name schon lange und immer wieder in den Ergebnislisten internationaler Wettbewerbe auftaucht. Der 60er Josef Straßberger, der vielleicht stärkste Bayer aller Zeiten, holte 1928 als Gewichtheber Olympiagold im Schwergewicht. Marina Kiehl wurde 1988 Abfahrtsolympiasiegerin in Calgary. Und die Olympiasieger Klaus Wolfermann (Speer) und Eva Wilms (Kugel) traten für die Leichtathletikabteilung des TSV 1860 an. Linus Strasser ist in guter Gesellschaft. Zu der gehört Hasan Ismaik gewiss nicht.

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