: Nichts ist mehr wie 1987
Festival Als sich die Transmediale vor 30 Jahren als „VideoFilmFest“ gründete, war das öffentlich-rechtliche Fernsehen noch dominierend. Heute stellt sich die Frage nach der Handlungsfreiheit in einer digitalen Welt
von Tilman Baumgärtel
Im Leben der Menschen sind 30 Jahre eine Generation. In der Geschichte der Medien sind 30 Jahre hingegen eine Ewigkeit.
Als das Berliner Medienfestival Transmediale vor 30 Jahren gegründet wurde, war das dominante elektronische Medium das Fernsehen, das auf klobigen, analogen Röhrengeräten – zum Teil sogar noch in Schwarzweiß – verschwommene Bilder zeigte.
Das Programm wurde drei Jahre nach Einführung des Privatfernsehens noch stark von den öffentlich-rechtlichen Sendern bestimmt. Der Markt für Heimcomputer wurde von einem guten Dutzend verschiedener Hersteller mit untereinander inkompatiblen Apparaten beliefert. Die Grünen predigten in ihrem Parteiprogramm den „Widerstand gegen IuK-Techniken“ und kämpften gegen die Digitalisierung des Fernsprechnetzes und gegen Kabel- und Satellitenfernsehen. Internet gab es in Deutschland nur an der Universität Dortmund, das World Wide Web existierte noch nicht.
30 Jahre später sind die Möglichkeiten all dieser Medien – sowie einige, die sich damals noch niemand vorstellen konnte – von einem kleinen Gerät übernommen worden: dem Smartphone. Ein Festival, das eine so rasante Entwicklung begleiten will, muss sich also umschauen, wenn es nicht den Anschluss verlieren will.
Wenn am Donnerstagabend die diesjährige Transmediale im Haus der Kulturen der Welt eröffnet, ist also nichts mehr so wie 1987, als die Geschichte des Berliner Medienfestivals mit einem Sonderprogramm im Forum der Berlinale begann. Damals wurden Videos von Jean-Luc Godard, Gábor Bódy, Gustáv Hámos und David Larcher gezeigt; außerdem gab es Programme mit Videokunst, die der Berliner Videogalerist Mike Steiner mit Arbeiten von Künstlern wie Jochen Gerz, Marina Abramovic oder Laurie Anderson bestückte.
Gezeigt wurden die Arbeiten im Loft der Videogruppe MedienOperative an der Potsdamer Straße, und zwar „gleichzeitig im Videokino über Großprojektion und im neuen Café über Monitore“, wie man im Programm stolz vermerkte. Das Publikum: je nach Film um die hundert Leute, „vor allen Dingen Leute aus der Videoszene“, erinnert sich der Regisseur Hartmut Jahn, der an den ersten Ausgaben des VideoFilmFests mit eigenen Arbeiten teilnahm. Im folgenden Jahr fand das VideoFilmFest erstmals als eigene Veranstaltung statt, das sich nach und nach komplett von der Berlinale abnabelte.
„Es gab zu dieser Zeit eine lebendige Videoszene in Berlin, die aber keinen Ort hatte“, sagt Hartmut Jahn heute. Er selbst war aus seiner Geburtsstadt Hannover in den 70er Jahren zum Kunststudium nach Berlin gekommen, „weil es in Hannover nur zwei 16-Millimeter-Kameras gab“ und die Mauerstadt leichteren Zugriff auf Produktionsmittel versprach. Bei der Berlinale wurden zwar sporadisch Videoproduktionen gezeigt, aber es gab trotzdem eine „Konkurrenz zwischen Film und dem elektronischen Bild“.
Aber auch die Videoszene war damals gespalten: einerseits gab es Videoaktivisten mit politischen und dokumentarischen Intentionen, andererseits Künstler, die mit dem immer noch relativ neuen Medium experimentierten. Kurator Micky Kwella versuchte wenigstens in den ersten Jahren des Festivals beide Szenen zu berücksichtigen. Doch spätestens ab Mitte der 1990er Jahre – nach einer Station in der Akademie der Künste und dem Umzug ins ehemalige DDR-Haus der jungen Talente, später Podewil – konzentrierte man sich zunehmend auf die Medienkunst, die nun auch in einer eigenen Ausstellung gezeigt wurde: Videoinstallation, CD-ROM-Arbeiten, und schon 1994 mit „Handshake“ ein erstes Internetprojekt. Diese Entwicklung wurde 1998 auch durch den Namenswechsel zur „Transmediale“ dokumentiert.
Unter Micky Kwellas Nachfolger Andreas Broeckmann zog das Festival in das Haus der Kulturen der Welt um, wo es bis heute – und in diesem Jahr als erste Veranstaltung nach der Renovierung – stattfindet. Seit 2004 wird das Festival – wie auch z. B. die documenta oder die Berlin Biennale – von der Kulturstiftung als „Leuchtturmprojekt der Gegenwartskultur“ unterstützt. Der 1999 als Festivalparty entstandene Club Transmediale hat sich inzwischen unter dem Namen CTM zu einem eigenständigen Festival für experimentelle Musik entwickelt.
2006 ließ die Veranstaltung die Medienkunst hinter sich, als sie sich von „international media art festival“ zum „festival for art and digital culture“ umbenannte. Damit soll der Tatsache Rechnung getragen werden, dass unser Alltag immer stärker von digitalen Medien dominiert wird – wie dem Smartphone, das alle bei der ersten Ausgabe des Festivals existierenden Medien inzwischen in sich aufgenommen hat. Der Versuch, diesen Prozess zu verstehen, führte unter den Kuratoren Stephen Kovats (2007 – 2011) und Kristoffer Gansing (seit 2012) auch zu einem immer umfangreicheren Vortragsprogramm.
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