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„Alles läuft gut“: Wie Donald Trump die USA abschottet

Dekret Der neue Präsident stoppt Einreise von Flüchtlingen und von Bürgern aus sieben vorwiegend muslimischen Staaten. Opposition: „Grausamkeit mit Stärke verwechselt“

Aus Atlanta Frank Herrmann

Malik al-Armash hat große Ziele. Er will in den USA studieren und dann ein Unternehmen gründen. Und bislang sah es so aus, als baute er nicht nur Luftschlösser: Seit fünf Monaten lebt der junge Syrer aus Damaskus in Clarkston, einer Kleinstadt in der Nähe Atlantas, die in großer Zahl Flüchtlinge aufnimmt. Eine Bürgerinitiative namens „Refugee Coffee“ hat ihm einen Job besorgt, er verbringt seine Tage in einem rot angestrichenen Imbisswagen, um Kaffee zu brühen und im Gespräch mit Kunden an seinem Alltagsenglisch zu feilen.

Es sind erste Schritte. Allmählich würde Ordnung in sein Leben einziehen, hat Malik al-Armash geglaubt – bis zum vergangenen Freitag. Da hat der neue Präsident Donald Trump einen Aufnahmestopp für Flüchtlinge sowie ein vorläufiges Einreiseverbot für Bürger aus sieben Staaten mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit verfügt.

Und jetzt ist Malik al-Armash höchst beunruhigt. 2012 hatte er Damaskus verlassen, nachdem er von Sicherheitskräften des Assad-Regimes zweimal verhaftet worden war. Dreieinhalb Jahre schlug er sich in der jordanischen Hauptstadt Amman durch, bis endlich grünes Licht aus Washington kam. Nach zwölf Monaten im Südstaatennest Clarkston darf er sich nach bisheriger Praxis um eine Green Card bewerben, um das Papier, das ihm sowohl einen unbegrenzten Aufenthalt garantiert als auch eine Berufskarriere ermöglicht.

Internationale Kritik – und Besorgnis wegen der Konsequenzen

Das Einreisedekret Donald Trumps hat vielerorts Empörung ausgelöst. Bundeskanzlerin Angela Merkel „bedauere“ das Einreiseverbot, erklärte ihr Sprecher Steffen Seibert am Wochenende in Berlin: „Sie ist überzeugt, dass auch der notwendige entschlossene Kampf gegen den Terrorismus es nicht rechtfertigt, Menschen einer bestimmten Herkunft oder eines bestimmten Glaubens unter Generalverdacht zu stellen.“

Auch PolitikerInnen wie die britische Premierministerin ­Theresa May kritisierten den Erlass. Der kanadische Ministerpräsident Justin Trudeau veröffentlichte über Twitter ein Foto, das ihn mit einem Flüchtlingsmädchen zeigt.

Der Iran verurteilte das Dekret als Affront gegen die muslimische Welt und die Islamische Republik. US-Bürger dürften im Gegenzug auch nicht mehr in den Iran einreisen, kündigte das Außenministerium an.

Amnesty International sprach von einem „entsetzlichen Schritt“ mit möglicherweise „katastrophalen Konsequenzen“. (rtr, afp)

Obwohl es vorläufig keine Anhaltspunkte gibt, dass sich daran etwas ändert, zweifelt der 23-Jährige plötzlich an allem und jedem. „Ich habe Angst, ich bin nervös, das will ich gar nicht verbergen“, sagt er. „Ich habe Angst davor, dass sie mich zurückschicken.“

Nach Trumps Erlass werden die Vereinigten Staaten in den nächsten vier Monaten keinen einzigen Flüchtling mehr ins Land lassen. In dieser Zeit soll geprüft werden, wie man Antragsteller noch gründlicher als bisher durchleuchten kann. Die Aufnahme von Menschen aus dem Bürgerkriegsland Syrien wird sogar für unbestimmte Zeit ausgesetzt. Zudem darf in den nächsten drei Monaten kein Staatsangehöriger Iraks, Irans, Syriens, Libyens, Somalias, Jemens und Sudans einreisen, sofern er nicht Diplomat oder aus sonstigen Sondergründen von dem Verbot ausgenommen ist. Unklar blieb, ob das Verbot auch für Besitzer einer Green Card gilt.

Das Dekret, von Kritikern als völlig unzulässige Kollektivstrafe bezeichnet, löst am Wochenende Hektik und bisweilen Chaos auf amerikanischen Flughäfen aus. In New York versuchen Anwälte, zwei Iraker mit gültigem Visum aus dem Gewahrsam der Grenzkontrolleure zu holen. Das gelingt erst nach zähen Verhandlungen und der Eilentscheidung einer Richterin in New York in der Nacht zum Sonntag. Danach dürfen die nach Trumps Anweisung am Flughafen festgehaltenen Personen zunächst nicht in ihr Ursprungsland zurückgeschickt werden. Weiter gültig bleibt vorerst jener Teil des Dekrets, der Ankünfte aus bestimmten Ländern verbietet.

Einer iranischen Wissenschaftlerin, die nach Boston fliegen will, um am Labor eines Universitätskrankenhauses zu forschen, wird die Einreise ebenso verweigert wie einer syrischen Flüchtlingsfamilie, die auf einen Neubeginn in Ohio gehofft hatte. Nisrin Omer, eine aus dem Sudan stammende Harvard-Absolventin, die seit 1993 in den USA lebt, aber nach wie vor sudanesische Staatsbürgerin ist, wird fünf Stunden am New Yorker Kennedy-Airport festgehalten – für einige Zeit in Handschellen. Insgesamt sind es nach vorläufigen Angaben um die 200 Menschen, die auf ähnliche Weise von Trumps Verfügung überrumpelt werden.

An Flughäfen in San Francisco, Washington und New York kommt es daraufhin zu spontanen Demonstrationen. Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, dessen Unternehmen wie die gesamte Hightechbranche im Silicon Valley auf für Talente aus aller Welt weit geöffnete Türen angewiesen ist, betont, dass die USA ein Land der Einwanderer seien und stolz darauf sein sollten. „Meine Urgroßväter sind aus Deutschland, Österreich und Polen gekommen“, die Eltern seiner Frau seien aus China und Vietnam geflohen, schreibt er auf seiner Face­book-Seite. „Wir müssen die Sicherheit dieses Landes wahren, aber das sollten wir tun, indem wir uns auf Leute konzentrieren, von denen tatsächlich Gefahr ausgeht.“

Demokratische Kongressabgeordnete sprechen von einer Diskriminierung, die allem widerspreche, wofür Amerika mit seinen Werten und seiner Tradition stehe. Der Freiheitsstatue liefen die Tränen über die Wangen, sagt Chuck Schumer, der führende Demokrat im Senat. Seine Parteifreundin Nancy Pelosi twittert: „Diese Regierung verwechselt Grausamkeit mit Stärke und Vorurteile mit Strategie“.

Am Gate zurückgewiesen

Wo? Das Einreiseverbot hat am Wochenende auch auf Flughäfen außerhalb der USA zu Zurückweisungen geführt. Einige Beispiele:

Wie? Die niederländische Airline KLM verweigerte sieben Fluggästen die Reise in die USA. Alle hatten ein gültiges Visum.Air France nahm etwa 15 Flugpassagiere wegen des Einreiseverbots nicht an Bord. Auf dem Frankfurter Flughafen gab es hingegen nach Angaben von Fraport weder Proteste, noch musste eine größere Anzahl von Passagieren versorgt werden, weil die Weiterreise in die USA unterbrochen war.

Wo noch? In Österreich mussten 300 Visa für Angehörige religiöser Minderheiten im Iran, unter anderem für Christen und Juden, storniert werden, die in die USA weiterreisen sollten. (dpa)

Der Präsident dagegen erklärt im Weißen Haus, er habe ja gar kein pauschales Einreiseverbot für Muslime erlassen, wie er es im Wahlkampf angekündigt hatte. „Alles läuft gut. Das sieht man an den Flughäfen, das kann man überall sehen“, sagt Trump.

Malik al-Armash sagt, dass er sich große Sorgen mache um seine Verwandten, die noch immer in Syrien und Jordanien lebten. Auch sie wollten in die Neue Welt übersiedeln, doch womöglich seien die Tore nun auf Jahre hinaus verschlossen. „Und was aus mir wird, weiß ich auch nicht. Niemand hier weiß, was als Nächstes geschieht.“

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