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Kaum Dänen am Ostseestrand

Fehmarnbelt Eine Tourismusstudie belegt, dass der geplante Tunnel in der Ostsee zwischen Dänemark und Schleswig-Holstein kaum touristische Effekte auf die Region hat. Minister will ihn sich deshalb schönrechnen

Mit Tatsachen muss man ja nicht hausieren gehen. Während des Baus des geplanten Fehmarnbelt-Tunnels und der Schienenanbindung nach Lübeck sollte in der Region an der Lübecker Bucht nicht „das Zerrbild von Europas größter Baustelle“ strapaziert werden. Das empfiehlt die Studie „Fehmarnbelt und Tourismus“ des Kieler Instituts für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa (NIT) im Auftrag des Ostsee-Holstein-Tourismus e. V. (OHT). Das könnte auf Touristen abschreckend wirken, erklärte der Autor der Studie, Dirk Schmücker, bei der Präsentation seiner Untersuchung am Donnerstag im Ostseebad Scharbeutz.

Zumindest Nordeuropas mit rund elf Milliarden Euro teuerstes und mit etwa zehn Jahren Bauzeit langwierigstes Verkehrsprojekt ist das Vorhaben dennoch. Und bei der Auftraggeberin, OHT-Geschäftsführerin Katja Lauritzen, sorgt Schmückers Expertise auch nicht für ungetrübte Freude. Für Ostholstein bringe der Tunnel „für den Tourismus Licht und Schatten“, so ihr Fazit. Lauritzens Hoffnung indes ist, „dass die positiven Effekte überwiegen“.

Ein frommer Wunsch. Nach Fertigstellung des Tunnels etwa im Jahr 2030 würden jährlich etwa 25.000 zusätzliche Touristen aus Schweden und Dänemark in der Region zwischen Fehmarn und Lübeck übernachten, prognostiziert Schmücker. Das wäre bei aktuell 7,8 Millionen Übernachtungen ein Anstieg um 0,3 Prozent, rechnet er vor. Etwas positiver sähe es jedoch für Lübeck aus. Während der Bauphase müsse mit jährlichen Umsatzverlusten von 2,8 Millionen Euro gerechnet werden, auch weil der Bahnverkehr mit Skandinavien auf der Vogelfluglinie nördlich von Neustadt/Holstein für mehrere Jahre eingestellt werden muss. Urlauber und Pendler können Fehmarn dann nur noch mit Bussen erreichen. Anschließend aber winkt der Hansestadt ein Zugewinn von 4,2 Millionen Euro.

Mit diesen „moderaten Effekten“, so Schmücker, könne er „natürlich nicht“ zufrieden sein, räumt Schleswig-Holsteins Minister für Wirtschaft, Verkehr und Tourismus, Reinhard Meyer (SPD), ein. Deshalb bedürfe es eines „gesteigerten Auslandsmarketings und einer gezielten Marktansprache“ im südlichen Skandinavien. Dann könne eine „zusätzliche Nachfrage aus den Quellmärkten Dänemark und Schweden vor allem im Segment der Tages- und Kurzreisen entstehen“, glaubt Meyer, der auch Präsident des Deutschen Tourismusverbandes ist.

Ohne massive Werbeanstrengungen bringt die direkte Verbindung zwischen Kopenhagen und Hamburg mithin kaum positive Effekte für Tourismus und Volkswirtschaft im Norden, ist das Ergebnis der NIT-Studie. Für Meyer aber kein Grund, in seiner Funktion als Verkehrsminister am Sinn des Projekts zu zweifeln. Wenn der weltweit längste Absenktunnel sich nicht rechnet, muss man ihn eben schönrechnen. SMV

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