Susanne Memarnia hat mit drei Flüchtlingen süßen Schwarztee getrunken und mit ihnen über den Breitscheidplatz gesprochen: „Mein Beileid gilt den Angehörigen“
Es war ihnen ein dringendes Anliegen, einer Deutschen zu erklären, wie sie als Flüchtlinge über den Anschlag denken. „Kommen Sie vorbei, ich trommele ein paar Leute zusammen“, hatte mein Bekannter Abdullahim Atta gesagt.
So sitze ich also am Mittwochvormittag in einem kleinen Zweibettzimmer der AWO-Gemeinschaftsunterkunft Köpenicker Landstraße 280. Gut versteckt zwischen Aldi und dem Gestrüpp, das den Britzer Zweigkanal säumt, leben hier knapp 200 Männer. Mit dreien von ihnen, alle Syrer, trinke ich süßen Schwarztee und rede über den Breitscheidplatz und die Folgen.
„Als ich die Nachricht hörte, war ich schockiert und traurig. Wir haben so viel Gewalt erlebt in Syrien, sind davor geflohen. Warum machen Menschen so etwas?“, beginnt Nouralla Sharro, ein 34-jähriger Französischlehrer, auf Arabisch. Sein Freund Atta übersetzt. „Gleichzeitig bin ich wütend auf die Leute, die nun sagen, das sei Merkels Schuld, weil sie die Grenzen geöffnet hat.“ Er sei sich sicher, so Sharro, dass „99 Prozent“ der Flüchtlinge den Behörden helfen würden, den oder die Täter zu finden. „Mein Beileid gilt den Angehörigen“, beschließt er seine kleine Rede. Den letzten Satz sagt er auf Deutsch, offensichtlich hat er sich erkundigt, was man hierzulande sagt in solchen Situationen.
Auch die beiden anderen bewegt die Frage, was passiert, wenn der Täter tatsächlich ein Flüchtling ist. „Das wäre ganz schlecht für uns“, glaubt Atta. „Manche Parteien nutzen solche Vorkommnisse, um gegen Flüchtlinge zu hetzen.“ – „Zumal viele Deutsche uns sowieso schräg anschauen, weil sie denken, Flüchtlinge seien unzivilisiert, dreckig und so“, sagt der Dritte im Bunde, Ejad Dirke. Auch ihm passiere das hin und wieder, im Supermarkt etwa. „Das ignoriere ich einfach!“
Andererseits gebe es aber auch Flüchtlinge, die sich schlecht benehmen, findet Atta. „Manche sind einfach unverschämt, laut in der U-Bahn oder akzeptieren die hiesigen Werte nicht.“ Er schüttelt verständnislos den Kopf. „Es gibt schon viele ungebildete Leute unter den Flüchtlingen. Ich sag dann immer, sei doch froh, dass sich hier keiner darum kümmert, wie du lebst. Das ist eben anders als bei uns.“
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