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Die UNO erhöht den Druck

SYRIEN Die Generalversammlung strebt die Strafverfolgung der Verantwortlichen für Kriegsverbrechen an und setzt eine Arbeitsgruppe zur Sammlung von Beweisen ein

Pro-Assad-Kämpfer im Westen von Aleppo Foto: Omar Sanadiki/reuters

Von Andreas Zumach

GENF taz | Die UNO erhöht den Druck für eine Strafverfolgung der schweren Menschenrechtsverstöße im Syrienkonflikt. Die Generalversammlung in New York beschloss in der Nacht zu Donnerstag die Einsetzung einer „internationalen, unabhängigen und unparteiischen Arbeitsgruppe“, die Beweise sammeln soll für „Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, darunter Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit“, die seit Beginn des Konflikts im März 2011 verübt wurden – von wem auch immer.

Abschied von Aleppo

Abzug:Syrien ist die Evakuierung der letzten Rebellen aus Ost-Aleppo angelaufen. Einige Tausend Kämpfer und Zivilisten sollten am Donnerstag in 40 Bussen und Hunderten Privatfahrzeugen die Stadt verlassen, sagte die Sprecherin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Ingy Sedky. Außerdem sollten Busse Menschen aus den von Rebellen belagerten Schiitendörfern Fua und Kafarja in der Provinz Idlib abholen.

Regime: Das Staatsfernsehen meldete: „Aleppo wird in den nächsten Stunden frei von Terroristen sein.“ Die Regierung von Präsident Baschar al-Assad bezeichnet alle Rebellen als Terroristen. Er sagte, der Sieg seiner Truppen in Aleppo sei nicht nur ein Erfolg für Syrien, sondern auch für Russland und Iran. (ap)

Für die Resolution stimmte die absolute Mehrheit von 105 der 193 UNO-Mitglieder. 15 Staaten darunter Syrien, Russland, China, Iran und Kuba votierten dagegen, 52 Länder enthielten sich. Die Arbeitsgruppe soll zunächst aus freiwilligen Beiträgen von UNO-Staaten finanziert werden. Der UNO-Generalsekretär wurde beauftragt, bis spätestens 10. Januar die Mitglieder der Arbeitsgruppe zu berufen.

Die Arbeitsgruppe soll eng mit der „unabhängigen internationalen Untersuchungskommission zu Syrien“ kooperieren, die Ende 2012 vom Menschenrechtsrat der UNO in Genf eingerichtet wurde. Obwohl ihr die Regierung von Präsident Baschar al-Assad bis heute den Zugang zu Syrien und jegliche Kooperation verweigert, hat die UNO-Kommission inzwischen 13 umfangreiche Berichte über mutmaßliche Verbrechen vorgelegt.

Der Menschenrechtsrat in Genf hat schon 13 umfangreiche Berichte vorgelegt

Die Berichte beruhen auf Interviews mit Tausenden überlebenden Opfern und ZeugInnen dieser Verbrechen, auf Aussagen von ehemaligen Mitgliedern der syrischen Streitkräfte, Polizei und Geheimdienste sowie auf umfangreichen Dokumenten, die von einem ehemaligen Mitarbeiter eines unmittelbar Assad unterstellten Regierungsgremiums in Damaskus außer Landes geschmuggelt wurden. Die große Mehrheit der von der Kommission dokumentierten Anschuldigungen, Indizien und Beweise betreffen mutmaßliche Verbrechen der syrischen Regierungstruppen oder der mit ihnen verbündeten Milizen, eine Minderheit mutmaßliche Verbrechen anderer Akteure. Schon mehrfach forderte die Untersuchungskommission den UNO-Sicherheitsrat auf, den Internationalen Strafgerichtshof (ICC) mit Ermittlungen zu in Syrien verübten Verbrechen zu beauftragen. Da Syrien nicht Mitglied des ICC ist, kann der Gerichtshof Verfahren gegen syrische Staatsbürger nur auf Anweisung des Sicherheitsrates einleiten. 2014 verhinderten Russland und China mit ihrem Veto einen entsprechenden Ratsbeschluss. Aus diesem Grund initiierte Lichtenstein die Resolution der Generalversammlung. Auch die Schaffung eines Sondertribunals zu Syrien – so wie 1993/4 zu Exjugoslawien und zu Ruanda – würde wohl am Veto aus Moskau und Peking scheitern. Nach dem Weltrechtsprinzip könnten aber nationale Justizsysteme aller Staaten Ermittlungen und Strafverfahren zu den in Syrien verübten Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit durchführen.

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