Ralf Pauli über Willkommensklassen für Flüchtlingskinder: Integrieren statt separieren
Berlin ist wie immer mächtig stolz auf sich. Seit Jahren schafft es die Hauptstadt, den immensen Lehrerbedarf – im aktuellen Kalenderjahr: 2.364 PädagogInnen – zu decken. Auch für die Beschulung der vielen Flüchtlingskinder findet sich irgendwie immer Personal. In mittlerweile mehr als tausend Willkommensklassen bringen sie den Kindern erst mal die Sprache bei, bevor diese am normalen Unterricht teilnehmen dürfen. Schnell Deutsch lernen ist das erklärte Ziel.
Die Praxis sieht leider anders aus. Was nämlich nach einem sinnvollen Konzept klingt, hat tatsächlich oft verheerende Folgen: In den separierten Klassen bleiben die Flüchtlingskinder bis zu anderthalb Jahre unter sich und werden oft von unterbezahlten Quereinsteigern unterrichtet. Wer wann in eine normale Klasse darf, dafür gibt es keine klaren Vorgaben.
Das behindert die Integration weiter: Die wenigsten Kinder dürfen anschließend an derselben Schule den normalen Unterricht besuchen. Einige Berliner Schulen, das fanden soeben WissenschaftlerInnen der Humboldt-Universität Berlin heraus, verbieten das sogar. Die Regelklassen seien schon überfüllt.
Kein Wunder, dass Kinder unter diesen Umständen nicht annähernd so schnell Deutsch lernen wie solche, die täglich von Muttersprachlern umgeben sind. Die von Beginn an auf Deutsch rechnen, singen, tanzen, basteln. Deren erste neue FreundInnen Deutsche sind. Dennoch gilt fast im ganzen Land: separieren statt integrieren. Bayern packt Kinder mit geringen Sprachkenntnissen in Übergangs-, Niedersachsen in Sprachlern-, Hessen in Intensiv- und Sachsen in Vorbereitungskurse.
In Rheinland-Pfalz ist man da weiter. Dort sitzen die Flüchtlingskinder von Beginn an mit im Unterricht und gehen nach der Schule und in den Ferien zum Deutsch-Intensivkurs. Das rheinland-pfälzische Dogma, Kinder einfach mitzunehmen – es sollte überall gelten.
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