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Auf die Weide, fertig, Muh!

Milch Agrarsenator Joachim Lohse hat die norddeutsche Weidemilch-Charta unterzeichnet: Die verbessert die Vermarktungsmöglichkeiten für hiesige Milchviehhalter

Die Kuhzahlen

8.454 Hektar, fast ein Fünftel der Landesfläche, werden in Bremen von 155 Betrieben landwirtschaftlich genutzt.

91 Betriebe hielten im Mai 2016 9.890 Rinder – 202 weniger als noch im Jahr 2011, als es noch 102 Rinderhalter in Bremen gab.

3.815 Milchkühe sind darunter.

51 Betriebe – das sind 14 Prozent weniger als vor fünf Jahren – betreiben in Bremen Milchviehhaltung.

Damit liegt Bremen klar vor Hamburg (1.145 Milchkühe in 23 Betrieben) oder Berlin (128 Milchkühe, 9 Betriebe).

Auf elf Betriebe mit Herden von 100 und mehr Tieren verteilen sich 43 Prozent der Bremer Milchkühe.

47 Prozent der Betriebe haben eine Herde von 50 bis 99 Tieren.

Die Norddeutsche Weideland-Charta hat gestern Umwelt- und Agrarsenator Joachim Lohse (Grüne) im Rathaus unterzeichnet. Damit sichert er den hiesigen Milchviehhaltern den Zugang zu dem einschlägigen Label, von dem man sich ein hohes Vermarktungspotenzial erhofft. „Für die Bremer Landwirtschaft hat die Milchviehhaltung große Bedeutung“, stellte Lohse klar.

Die vom niedersächsischen Landwirtschaftsministerium nach niederländischem Beispiel initiierte, vom Verein Grünlandzentrum Niedersachsen und Bremen federführend betreute Charta verpflichtet einerseits zum Erhalt des Grünlands: Das ist nicht nur aus Landschafts-, Klima-, Tier- und Umweltschutzgründen wichtig, Weidehaltung hat auch Einfluss auf die biochemische Zusammensetzung der Milch. Zumal der Gehalt an mehrfach ungesättigten Fettsäuren wie Omega-3 steigt. Auch die Genussmenschen von Slowfood Deutschland unterstützen daher das Projekt.

Im Agrarland Niedersachsen, wo der Trend trotzdem zur Ganzjahresstallhaltung geht, hatte das Vorhaben zu einer teils heftigen Kontroverse geführt, die öffentliche Förderung des Projekts war kritisiert und es war zum Widerstand gegen die Zweiklassenmilch aufgerufen worden. In Bremen fiel die Debatte flach: Zwar hat man immerhin 30-mal so viele Milchkühe wie Berlin und auch das anderthalbfache der Hamburger Rindviehzahlen. Aber für die drängt sich infolge der hiesigen natürlichen Gegebenheiten ohnehin eine umweltverträgliche Weidehaltung auf: Die Bremische Bodenqualität ist eher mau, das gräbendurchzogene Grünland eignet sich auch kaum für Intensiv-Landwirtschaft.

Insofern bedeutet der Beitritt zur Charta vor allem die Chance, dass sich die Vermarktungsmöglichkeiten für eine ohnehin praktizierte Bewirtschaftung verbessern. Der Bedarf dafür ist groß: Seit Jahren hält das Höfesterben auch in Bremen an, ein Rückgang von 11,63 Prozent war in den vergangenen fünf Jahren zu verzeichnen.

Und es dürfte sich noch weiter beschleunigt haben: Seit Herbst 2015 hatte sich der Milchpreis auf niedrigstem Niveau gehalten. Und trotz der leichten Erholung sind die Landwirte weit davon entfernt, kostendeckend zu arbeiten. Jetzt kann der Verbraucher zumindest Einfluss auf die Qualität nehmen, indem er entscheidet, „ob ihm der Mehrwert der Weidehaltung auch einen höheren Milchpreis wert ist“, so der Präsident der Bremer Landwirtschaftskammer Klaus Morisse. Benno Schirrmeister

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