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Gabriela Keller über die Überwachung der ReichsbürgerHöchste Zeit hinzuschauen

Überwachung ist eine Sache. Hilfe zum ­Ausstieg aus dem Milieu wäre das andere

Sie haben sich in einer parallelen Wirklichkeit eingerichtet, die auf Misstrauen und Hass gegen die liberalen Eliten beruht: Von den Fantasiepapieren und den versponnenen Thesen sollte sich niemand blenden lassen – die Bedrohung, die von den Reichsbürgern ausgeht, ist real, und sie ist seit Jahren stetig gewachsen. Höchste Zeit also, dass der Verfassungsschutz damit anfängt, sie gezielt zu beobachten.

So irre die Theorien von der „Deutschland GmbH“ auch klingen mögen – man darf sich nicht vertun: Das Reichsbürgertum ist ein politischer Protest, der von rechts kommt und sich aus dem Unmut über die globalisierte Moderne speist. Der sektenhafte Charakter des Milieus, die verbohrte Ideologie und die antisemitischen Mythen, die damit einhergehen, die Waffen, die bei Razzien immer wieder gefunden werden – all das ergibt eine brisante Mischung.

Hinzu kommt großer Handlungsdruck: Reichsbürger wollen, dass das Deutsche Reich neu ersteht, manche sehen es als ihre Aufgabe an, zur Destabilisierung des Staates beizutragen. Die Sorge, dass sich in dem Milieu Terrorzellen bilden könnten, ist daher berechtigt.

Aber längst nicht jeder Reichsbürger ist ein militanter Rechtsextremer: Zu dem Milieu gehören viele gescheiterte Existenzen und Menschen, die Ärger mit den Behörden haben. Diese Leute laufen Gefahr, sich um Haus und Hof zu bringen, wenn sie sich etwa weigern, Steuern zu bezahlen.

Die bundesweite Überwachung ist daher eine Sache. Ebenso wichtig wäre es, Anhängern des Milieus beim Ausstieg zu helfen. Beratungsangebote wären eine Möglichkeit oder geschulte Kräfte, die den Leuten aufzeigen, welche Lösungen es für ihren Konflikt mit den Ämtern gibt. Bei überzeugten Reichsbürgern wird das nicht funktionieren. Aber wenn es gelingt, weniger gefestigte Anhänger in die Bundesrepublik zurückzuholen, wäre für die Demokratie viel gewonnen.

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