Vor der Präsidentschaftswahl in Haiti: Im Zeichen des Wirbelsturms
Zur Wahl stehen 27 Kandidaten. Doch angsichts der humanitären Katastrophe nach „Matthew“ hat die Bevölkerung existentiellere Sorgen.
Die Bevölkerung hat derzeit auch andere Sorgen. Vor allem im armen Südwesten des Landes, der am schlimmsten vom Wirbelsturm heimgesucht wurde, versuchen die Menschen wieder zur Normalität zurückzufinden. Wegen des Sturms war auch der ursprünglich wenige Tage danach terminierte Urnengang auf Ende November verschoben worden.
Der Hurrikan hatte mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 235 Kilometer pro Stunde nach offiziellen Angaben 573 Todesopfer gefordert. Ganze Landstriche wurden verwüstet, 175.000 Menschen verloren ihre Wohnungen und leben seitdem in provisorischen Unterkünften. 300 Schulen sind völlig zerstört. Sie fehlen jetzt nicht nur für den Unterricht, sondern können auch nicht als Wahllokale genutzt werden.
Nach wie vor hofft Jovenel Moise, der im Oktober 2015 beim annullierten Wahlgang 32,8 Prozent der nur 1,5 Millionen abgegebenen Stimmen erringen konnte, auf einen Sieg. Er tritt für die Tet Kale Partei (PHTK) an, die Kahlkopfpartei des Expräsidenten Michel Martelly. Der ist im Februar aus dem Amt geschieden. Sein schärfster Konkurrent, Jude Celestin von der Alternativen Liga für haitianische Fortschritt und Emanzipation (Lapeh), hatte sich geweigert, an der Stichwahl teilzunehmen, und so die Wahlwiederholung erzwungen. Er hatte im ersten Wahlgang 25,3 Prozent der Stimmen erhalten.
Beide zogen in den vergangenen Tagen wieder durch die Straßen der Stadtviertel, um in einer Haus-zu-Haus-Kampagne potenzielle Wähler doch noch zur Stimmabgabe zu motivieren. Beim letzten Mal haben nur knapp ein Drittel der Stimmberechtigten überhaupt ihren Wahlzettel abgegeben. Daneben machen nur noch Jean Charles Moise von der Plattform Kleiner Dessalines und die Kandidatin der Erdrutschbewegung Famni Lavalas, Maryse Narcisse, mit ihrer Wahlkampagne von sich reden.
Die Hoffnung geht gegen null
Angesichts der schweren Naturkatastrophe ist das Interesse der haitianischen Bevölkerung allerdings gering und die Hoffnung auf transparente Wahlen tendiert dabei gegen null. „An saubere Wahlen glaube ich auch diesmal nicht“, sagt Richard Haspil. Der Druckereibesitzer und Bienenzüchter bezweifelt, dass nach der Stimmabgabe am kommenden Sonntag die Rufe von Betrug und Manipulation bei der Wahl des haitianischen Staatspräsidenten verstummt sein werden.
Zwar habe Interimspräsident Jocelerme Privert die Mitglieder der Provisorischen Wahlkommission (CEP) ausgetauscht, aber seit 2005 sei das Wahlregister nicht mehr aktualisiert worden. „Dem Wahlbetrug ist Tor und Tür geöffnet“, fürchtet Haspil.
Richard Haspil, Unternehmer
Der Filmemacher Arnold Antonin plädiert trotzdem für eine Beteiligung bei der Präsidentschaftswahl. „Wem kein Kandidat zusagt, der soll wenigstens einen unausgefüllten Stimmzettel abgeben.“ Das fordert der international ausgezeichnete sozialkritische Filmregisseur als Zeichen für einen „Neuanfang“ in Haiti.
Erstmals haben auch zwanzig Nichtregierungsorganisationen und Netzwerke, Künstler, Intellektuelle und Kirchenvertreter in Port-au-Prince zur Stimmabgabe als einem „Akt der Bürger von großer Bedeutung“ aufgerufen. Sie forderten die politischen Parteien, deren Anhänger und Kandidaten sowie die Wahlbehörde und Sicherheitskräfte auf, „saubere Wahlen ohne Betrug und ohne Gewalt“ zu garantieren.
Sollte auch diesmal keiner der 27 Kandidaten im ersten Wahlgang die Mehrheit von 50 Prozent erreichen, entscheidet am 29. Januar 2017 eine Stichwahl zwischen den beiden Erstplatzierten.
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