Naturkatastrophen und Armut in Haiti: Zu viele Probleme auf einmal

Nach Erdbeben und Wirbelsturm wird die Bevölkerung von Haiti immer ärmer. Vom neu gewählten Präsidenten ist nicht viel zu erwarten.

Drei Menschen laufen an der Ruine einer Kathedrale in Port-au-Prince, Haiti, vorbei

Sieben Jahre nach dem Erdbeben: Ruinen in Port-au-Prince Foto: ap

BERLIN taz Sieben Jahre nach dem schweren Erdbeben steigt die Zahl der Haitianerinnen und Haitianer, die kein regelmäßiges Einkommen haben. Sie bestreiten ihren Lebensunterhalt mit Gelegenheitsarbeiten oder profitieren von den Geldüberweisungen, die ihnen im Ausland lebende Verwandte mehr oder minder regelmäßig schicken.

„Die Menschen haben Hunger und Durst,“ resümiert Pater Baudelaire Martial, der Beauftragte der Haitianischen Ordenskonferenz für den Wiederaufbau. Verlierer im „Armenhaus Lateinamerikas“ seien neben den Menschen in den Armenvierteln der Hauptstadt Port-au-Prince auch die Bauern.

Der Wirbelsturm „Matthew“, der vor drei Monaten mit Sturmböen von mehr als 200 Stundenkilometern über den Südwesten des Karibikstaats hinwegraste, eine Schneise der Verwüstung hinterließ und nach inoffiziellen Schätzungen über 1.000 Todesopfer forderte, habe der ländliche Bevölkerung die Lebensgrundlage genommen. Ökonomisch gesehen sei der Hurrikan katastrophaler gewesen als das Erdbeben vom 12. Januar 2010. „Matthew“ zerstörte fast die gesamte Ernte und Hunderttausende von Häusern.

Während die Menschen ihre Habe verloren, stiegen die Lebensmittelpreise. Und das vor dem Hintergrund, das fast vier Fünftel der Bevölkerung am Rand oder unterhalb der Armutsgrenze lebt und etwa ein Viertel davon mit weniger als 1,20 Euro am Tag auskommen muss. Ein tiefer Graben spalte die haitianische Gesellschaft, urteilt Martial in einer Stellungnahme für das katholische Hilfswerk Adveniat in Deutschland. „Einige verfügen bereits über die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, während andere weiterhin die Kerosinlampe anzünden müssen, um ihre Hausarbeiten erledigen zu können.“

Wenig Hoffnung setzt der Kirchenvertreter in die politische Führung des Landes. Martial bezweifelt, dass der neu gewählte Staatspräsident, Jovenel Moïse, der am 7. Februar sein Amt antreten soll, einen Ausweg aus der Wirtschafts- und Politikkrise bieten könne. „Haiti hat so viele Probleme, dass es unmöglich für einen einzelnen Menschen ist, diese in einem Zeitraum von fünf Jahren zu lösen.“

Und der Beauftragte der Haitianischen Bischofskonferenz für den Wiederaufbau, Pfarrer Brillère Aupont, fürchtet, der weitgehend unbekannten Moïse habe keine überzeugende Mehrheit erhalten und ihm fehle „die Legitimation, um starke Maßnahmen zu ergreifen“.

Vier Fünftel der Menschen leben an oder unterhalb der Armutsgrenze

Bananenexporteur Jovenel Moïse ist ein enger Vertrauter von Expräsident Michel Martelly. Dem ehemaligen Musiker werden nicht nur enge Beziehungen zum Duvalierclan und zu Todesschwadronen nachgesagt, sondern auch zahlreiche Korruptionsfälle.

„Es fehlt unseren Staatsmännern an der Fähigkeit, vorausschauend und vorbeugend zu handeln“, stellt Aupont fest. Die Bevölkerung sei weitgehend „auf sich gestellt, um aus der Misere herauszukommen“.

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