Wer wird Bundespräsident?: Verzweifelte Suche im Kanzleramt
Die ParteichefInnen von CDU, CSU und SPD suchen einen Kandidaten für die Gauck-Nachfolge. Wie wäre es mit Frank-Walter Steinmeier?
Die Lage ist, wie fast jedes Mal, ziemlich verfahren. Nachdem Joachim Gauck angekündigt hatte, 2017 aus Altersgründen nicht für eine zweite Amtszeit zur Verfügung zu stehen, trudelte eine Absage nach der anderen ein (Voßkuhle, Lammert, Käßmann). Und die Lichtgestalt, auf die sich VertreterInnen des gesamten Parteienspektrums einigen könnten, will einfach nicht erscheinen. Seit letzter Woche sorgt immerhin ein Name für Spekulationen, den Gabriel ins Spiel gebracht hat: Frank-Walter Steinmeier.
Union und SPD sollen sich, so hieß es, eigentlich darauf verständigt haben, einen gemeinsamen Kandidaten für die Wahl am 12. Februar zu präsentieren. Für einen Alleingang fehlt es beiden Parteien an Stimmen in der Bundesversammlung. Also müssen Verbündete her. Nach leichter Übung für die Koalitionspartner klingt das sowieso nicht, dieses Mal ist es wegen der Bundestagswahl nächsten Herbst aber noch komplizierter: Wer gibt wie die Richtung für den Wahlkampf vor?
Ein Problem, das der 60-Jährige, in der Bevölkerung beliebte derzeitige Außenminister hat, ist insofern sein SPD-Parteibuch. Zwar können sich die Genossen ganz wunderbar auf einen der ihren einigen. Doch für CDU und CSU wäre diese Besetzung eine Demütigung. Vor allem die CSU hat nach Merkels Flüchtlingspolitik ein Bedürfnis nach Selbstvergewisserung. Schließlich stellt die Union die meisten Stimmen in der Bundesversammlung. Warum sollte sie da die Juniorpartnerin spielen?
Keine offensive Ablehnung gegen Steinmeier
Bereits im April hatte der Spiegel berichtet, Merkel habe Gabriel vertraulich erklärt, sie könne in ihrer Partei keinen SPD-Kandidaten durchsetzen. Zwar stößt Steinmeier bei den beiden Generalsekretären von CDU und CSU, Peter Tauber und Andreas Scheuer, nicht unbedingt auf Gegenliebe – aber, und das ist das Auffällige, auch nicht auf offensive Ablehnung. Überhaupt halten sich Unionspolitiker mit Kommentaren eher vornehm zurück. Was wiederum ein Hinweis darauf sein könnte, dass Merkel sich weiter schwer damit tut, einen eigenen Kandidaten zu finden – schon gar keinen ähnlich gewichtigen wie Steinmeier. Und dass sich die SPD auf einen Hardliner wie Wolfgang Schäuble einlässt, dessen Name immer mal wieder fiel? Kaum vorstellbar.
Spannend wird die Wahl, wenn sich die Parteispitzen am Sonntag nicht einig werden. Hält die SPD dann an Steinmeier fest, braucht sie Stimmen aus dem Oppositionslager. Bekäme sie diese, wäre das eine denkbar ungemütliche Situation für Merkel und die Union. Dann könnten die Grünen zum Zünglein an der Waage werden. Ihr Chef Cem Özdemir hält Steinmeier Medienberichten zufolge immerhin für einen „respektablen“ Kandidaten.
Ein eigener Grünen-Kandidat in Gestalt von Winfried Kretschmann ist bisher nicht in Sicht. Kretschmann selbst hatte mehrfach gesagt, er „strebe dieses Amt nicht an“. Und nach der jüngsten Merkel-Lobhudelei (siehe links) wäre fraglich, ob die eigene Partei, namentlich der linke Flügel, ihn als Bundespräsidenten mittragen würde. Vom fehlenden Wohlwollen der Union ganz zu schweigen.
Die Linkspartei schließlich sträubt sich zwar gegen Steinmeier – aber nicht in Gänze. Parteichef Bernd Riexinger gab Steinmeier wegen der Mitarbeit an der Agenda 2010 das Prädikat „unwählbar“. Aber die Doppelspitze der Bundestagsfraktion zeigt sich gewogen – nicht nur Dietmar Bartsch vom Realoflügel. Auch Sahra Wagenknecht, Vertreterin des Fundiflügels, lobte in der Bild am Sonntag ganz offensiv die Russlandpolitik des Außenministers. Sie hält alles offen: „Warten wir mal ab, ob und gegen wen er überhaupt antritt.“
Das ist die Frage. Steinmeier selbst nämlich äußert sich nicht, wie man das eben so macht als möglicher Kandidat, der sich nicht ins Aus schießen will – oder der zwar nicht antreten, aber auch seinen Parteichef nicht öffentlich brüskieren möchte. Sicher sein dürfte derzeit nur, dass sich Steinmeier nach mehr als 20 Jahren in der Politik nicht verheizen lassen wird. Ohne im Vorfeld auf eine klare Mehrheit bauen zu können, wird er kaum antreten.
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