Einigung von Gema und Youtube: Musik für alle
YouTube und die Gema haben sich geeinigt und tausende Songs werden freigeschaltet. Aber wer braucht das noch?
Der Lieblingsaufreger von Musikfans hat sich gestern offiziell erledigt: Nie wieder rote Sperrtafeln statt Musikvideos. Sieben Jahre lang haben sich die Verwertungsgesellschaft für Musikrechte Gema und die Videoplattform YouTube gestritten, nun haben beide Parteien eine Einigung getroffen. Am Dienstag trat der Lizenzvertrag in Kraft und Tausende Musikvideos werden endlich freigeschaltet.
Ein zentraler Streitpunkt war die Forderung der Gema, YouTube müsse ähnlich wie andere Online-Musikdienste pro Stream bezahlen. Damals ging es um 0,375 Cent für jeden Abruf. YouTube wollte die Verwertungsgesellschaft nur an den Werbeerlösen beteiligen, also nur an Videos, vor denen Anzeigen geschaltet sind. Die nun getroffene Vereinbarung gilt rückwirkend ab 2009. Die rund 70.000 Künstler, die sich von der Gema vertreten lassen, bekommen für jedes Abspielen einen kleinen Betrag von YouTube. Wie viel Geld nun fließen wird, verraten beide Seiten nicht.
Wo bleibt die Euphorie über diese lang erwartete Einigung? Sieben Jahre sind eine lange Zeit, in der sich sowohl YouTube als auch die Musikbranche verändert haben. Kaum einer wartet noch darauf, sich auf der Plattform Videos seiner Lieblingsband anschauen zu können. Diese Zeit ist seit mindestens drei Jahren vorbei.
Das Abwandern der Musikhörer haben die beiden Streithälse selbst verschuldet, indem sie die Ungeduld nicht nur bei ihnen, sondern auch bei Künstlern und Musikkonzernen wachsen ließen. So hat der US-Musikdienst Vevo, der im Rest der Welt stark auf YouTube setzte, in Deutschland einen eigenen Kanal aufgebaut, um seine Videos zeigen zu können. Nach einer Aufstellung des Portals Statista waren 2013 gut 60 Prozent der 1.000 beliebtesten YouTube-Videos in Deutschland wegen des Gema-Streits gesperrt.
Die Alternativen
Die international meistgeklickten Videos sind fast ausschließlich Musikvideos, allen voran der koreanische Sänger Psy mit Gangnam Style. Mehr als zwei Milliarden Menschen sahen sich das Video an, aber nicht in Deutschland – dort war es bis gestern gesperrt. Einige Hartnäckige haben sich Schlupflöcher gesucht. Mithilfe eines VPN-Tunnels legten sie sich eine ausländische IP-Adresse zu und umgingen so die Sperre. Andere luden Songs oder Alben mit veränderter Geschwindigkeit hoch, um der Erkennungssoftware der Gema zu entwischen.
All das hat bei Usern den Unmut gegenüber der Gema gestärkt und YouTube zum Musikhören unattraktiv gemacht. Wer nicht unbedingt das Musikvideo sehen wollte, war in der letzten Zeit mit Musikstreamingdiensten wie Spotify, Deezer oder iMusic besser bedient. Dort gibt es sämtliche Musik – mit oder ohne Werbung – übersichtlich und in guter Soundqualität.
Auf YouTube sind heute andere Inhalte gefragt – Tutorials, Parodien, Videoblogs und Filmtrailer. Die Plattform hat ihr Gesicht verändert und ist heute Fernsehersatz und Unterhaltungsplattform. Unter den angesagten Videos in Deutschland findet sich nur sehr selten Musik. Trotzdem würden laut YouTube von der Einigung vor allem Musiker profitieren, für die sich die Plattform als eine bedeutende Werbe- und Einnahmequelle etabliert habe. Auch der US-Konzern selbst könnte langfristig profitieren. Mit der Einigung wird auch der Weg für den Start des kostenpflichtigen Abodienstes YouTube Red in Deutschland freigeräumt, der ohne Werbung auskommt.
Viel zu spät
Überraschend kam die Einigung. Wie die Verwertungsgesellschaft und die Google-Tochter das geschafft haben, bleibt ein Geheimnis. Offensichtlich ist, dass sie viel zu spät kommt. Während sich bis vor ein paar Jahren noch viele gefreut hätten, erscheint der Deal angesichts der Alternativen fast überflüssig.
Und nicht wundern: Die roten Sperrtafeln werden in Zukunft nicht komplett verschwinden. Sie werden beispielsweise dann geschaltet, wenn der Künstler oder die Plattenfirma kein Mitglied der Gema ist und andere Rechte geltend macht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Ende der scheinheiligen Zeit
Hilfe, es weihnachtete zu sehr
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure