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Öztürk verlässt SPD-Fraktion

BÜRGERSCHAFT In einem Brief an die SPD-Fraktionsmitglieder hat der Abgeordnete Patrick Öztürk seinen Austritt aus der Fraktion angeboten. Sein Mandat will er behalten. Er beteuert weiter seine Unschuld

„Wir hätten erwartet, dass er diese Entscheidung früher trifft und auch sein Mandat niederlegt. Dieser Erwartung ist er nicht nachgekommen“

Björn Tschöpe, SPD-Fraktionschef

Der Bürgerschafts-Abgeordnete Patrick Öztürk verlässt die SPD-Fraktion. Das teilte die Fraktion am Montag mit. Sein Mandat wolle Öztürk aber behalten und künftig als Einzelabgeordneter der Bürgerschaft angehören.

Hintergrund sind Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen ihn seit Mitte August: Mit seinem Vater soll er über einen Verein das Jobcenter Bremerhaven um mehrere Hunderttausend Euro betrogen haben, indem sie MigrantInnen Scheinjobs beschafft haben sollen.

„Mit seinem Entschluss erspart uns Patrick Öztürk zwar den zwangsweisen Ausschluss“, erklärte SPD-Fraktionschef Björn Tschöpe. „Gleichwohl hätten wir erwartet, dass er diese Entscheidung früher trifft und auch sein über die Liste der SPD errungenes Mandat niederlegt. Dieser Erwartung ist er nicht nachgekommen.“

Der SPD-Fraktionsvorstand hatte am Freitag seinerseits ein Fraktionsausschlussverfahren gegen Öztürk auf den Weg gebracht. Die erforderliche Vertrauensbasis für eine Zusammenarbeit in einer Fraktion sei „nachhaltig gestört“, hatte Tschöpe dazu erklärt.

Im September war Öztürk durch Berichte von Radio Bremen weiter in Bedrängnis geraten. Dem Sender waren nach eigenen Angaben über 14.000 Dokumente über den Fall zugespielt worden. Diese legen nahe, dass Öztürk selbst an der Ausbeutung bulgarischer und griechischer MigrantInnen verdient haben könnte, indem er vermutlich überteuerten Wohnraum an Menschen vermietete, die vom Verein seines Vaters betreut wurden.

In einem Brief an die SPD-Fraktion hat Öztürk am Montag erklärt, er halte an seiner Unschuldsbekundung fest, habe sich aber für den Austritt entschieden, „um den öffentlichen Druck von der Fraktion zu nehmen“. Solange er nicht vollständig wisse, was ihm vorgeworfen wird, könne er keine umfassende Stellungnahme abgeben.

Öztürk formulierte seinerseits Vorwürfe an die Fraktion: „In der aktuellen Diskussion vermisse ich die Empörung darüber, dass anscheinend vertrauliche Informationen über ein Leck an die Medien gelangten, um mich so anscheinend willentlich öffentlich in Erklärungsnot zu bringen.“

Öztürk hatte einen Fraktionsaustritt zunächst nur auf Zeit angeboten. „Sobald die Ermittlungen niedergeschlagen sind, möchte ich mir den Weg offen halten, in die SPD zurück zu kehren“, heißt es in seinem Schreiben.

Ein Fraktionsaustritt sei allerdings nur ganz oder gar nicht möglich, erklärte SPD-Fraktionssprecher Matthias Koch. Öztürk habe seinen Austritt dann auf Rückfrage bestätigt.

Die Mehrheit der rot-grünen Koalition ist indes noch nicht gefährdet: Auch auch ohne die Stimme Öztürks kämen die beiden Fraktionen in der Bürgerschaft auf 43 Stimmen. Für die Mehrheit braucht es 42. jpb

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