Exot Achille Demagbo macht Wahlkampf für die AfD in Kiel. Er kommt aus dem Benin und ist bestens integriert – die Polizei kontrolliere die Schwarzen am Hamburger Hauptbahnhof zu wenig, findet er: Schwarzes Aushängeschild
von David Joram
Achille Demagbo ist seit drei Jahren sehr gefragt. Vor drei Jahren trat er der AfD Kiel bei – und er ist schwarz. Eine merkwürdige Kombination, finden viele Menschen, wenn sie das erste Mal von Demagbo hören. Regionalzeitungen und TV-Sender haben über den 36-Jährigen berichtet, der vor zwölf Jahren aus dem Benin nach Norddeutschland kam und mittlerweile dem AfD-Landesvorstand angehört. Kurz vor dem Parteitag der Schleswig-Holstein-AfD am letzten Wochenende porträtierte ihn die Bild. Nun tut es die taz.
Zum Treffen in Kiel, wo Demagbo Direktkandidat für die Landtagswahl 2017 ist, erscheint er mit Volker Schnurrbusch, seinem AfD-Vorstandskollegen. Es nieselt, der Wind weht ungemütlich. Demagbo lehnt an der Balustrade, hinter ihm schlagen die Wellen in der Kieler Bucht. Die Schiffe schaukeln, eines hat die Deutschland-Fahne gehisst. Es bildet den Hintergrund für das erste Fotoshooting.
Achille Demagbo sieht erhaben aus, den Blick hat er bestimmt in die Kamera gerichtet. Ein bisschen sieht die Szene aus, als ob ein alter Seebär, in diesem Fall ein schwarzer Seebär, Abschied von der Heimat nimmt, um in die weite Welt zu segeln. Bei Demagbo liegt der Fall aber anders. Er kommt aus der weiten Welt. Und er ist ein Kind jener Globalisierung, vor der so viele AfD-Wähler Angst haben, die befürchten, Deutschland könne in einen dauerhaften Zustand der Unordnung geraten. Demagbo teilt diese Ansicht.
Zum Gespräch in einem Café in der Kieler Innenstadt nimmt er auf einem Sofa Platz. Weitere Fotos werden geschossen. Der Blick: mal freundlich, mal ernst, aber immer bestimmt. Von dem was er sagt, ist Demagbo überzeugt. Etwa: „Das Wort völkisch stammt nicht aus der NS-Zeit; als Sprachwissenschaftler weiß ich: Die Nationalsozialisten haben dieses Wort damals missbraucht. Das heißt aber noch nicht, dass das Wort seinen ursprünglichen Sinn verlieren soll.“ Demagbo hat Linguistik studiert, er arbeitet als Dolmetscher. Was genau der ursprüngliche Sinn des Wortes „völkisch“ ist, will Demagbo nicht ausführen: „Um Polemik zu vermeiden, will ich darauf nicht eingehen.“
Der Duden kennt zwei Bedeutungen. Die eine betrifft die Rassenideologie der Nazis. Davon distanziert sich Achille Demagbo. Sein Parteikollege Volker Schnurrbusch fügt an: „Niemand in der AfD benutzt dieses Wort. Das ist kontaminiert.“
Demagbo sympathisiert aber durchaus mit der zweiten Bedeutung, die der Duden auflistet. „National“ steht im Duden. In Klammern steht dabei: veraltet.
Dafür ist Demagbo beim sonstigen AfD-Sprech ganz auf dem aktuellen Stand. In seinem etwas holprigen, aber klar verständlichen Deutsch sagt er: „Wenn ein Zugezogener und seine Familie ohne Leistungserbringung, ohne berufliche Qualifikation, dieselbe Sozialleistung beziehen wie deutsche Bürger, ist das sozial nicht gerecht.“ Oder: „Ich bin viel mehr für Sachleistung als für Geldleistung; diese Leute haben noch nicht bewiesen, dass sie auch Recht auf Asyl haben.“
Eindeutig positioniert er sich auch zur Familienpolitik: „Die traditionelle heterogene Familie soll Leitbild sein, nur sie soll gefördert werden.“ Ebenso zur Sicherheit: „Es müssen mehr Polizisten eingestellt werden.“ Überhaupt vermutet er, dass die Behörden total überfordert seien, dass Geflüchtete prinzipiell auf terroristische Vorhaben und eine kriminelle Vergangenheit hin geprüft werden müssten. Ist das nun rassistisch oder wertkonservativ?
Letzteres will Demagbo sein, ein politisch engagierter Mann, eintretend für klare Regeln und deutsche Werte. Als da zuvorderst wären: Fleiß, Pünktlichkeit, Ordnung. Demagbo sagt: „Früher wäre ich bei der CDU gelandet.“ Roberto Blanco hätte sich gefreut, der meinte, „die Schwarzen müssen zusammenhalten“. „Aber“, fügt Demagbo missbilligend an: „Die CDU hat einige ihrer grundsätzlichen Positionen verlassen.“
So empfindet er das jedenfalls. Dafür hat die CDU Menschen eingesammelt, die sich von Angela Merkels einstiger Konsenspolitik und einem modernen Konservatismus angesprochen fühlten. Zu diesen Menschen gehörten auch solche, die einen Migrationshintergrund haben, aber hier aufgewachsen sind. Die CDU hat sich so in recht kurzer Zeit neue Schichten erschlossen. Die AfD versucht, noch schneller zu sein – allerdings so, dass der rechte Flügel dran bleibt.
Achille Demagbo ist für den Zugang zur Mitte genau der richtige Mann – aber nur rein optisch. Rein inhaltlich heben sich seine Aussagen nicht von denen des thüringischen AfD-Scharfmachers Björn Höcke ab. „Im Hamburger Hauptbahnhof schäme ich mich als Migrant vor denen, die überwiegend meine Hautfarbe haben, die über dubiose Mechanismen hergekommen sind, obwohl unser Gesetz das nicht erlaubt. Diese Horde von Afrikanern, die einen da auf Drogen ansprechen …“, sagt Achille Demagbo. Er stockt ganz kurz, schüttelt leicht den Kopf, und fährt dann fort: „Nein, nein, nein. Die meisten sind illegal!“
Wer so spricht? Tatsächlich Achille Demagbo, ein Schwarzer: Wie soll der rassistisch sein, wie zum rechten Flügel zählen? Fragen, die einem automatisch durch den Kopf gehen. Demagbo ist stämmig gebaut, er hat ein Erscheinungs- und Sprachbild, das eine Frau Müller misstrauisch macht. Demagbo könnte an jedem drogenverdächtigen Ort (zum Beispiel am Hamburger Hauptbahnhof) von der Polizei gefilzt werden – nur weil er so aussieht, wie er aussieht. Ist das Achille Demagbo noch nicht aufgefallen?
Er sagt: „Nein, nein, in Deutschland habe ich keinen Rassismus erlebt. Im Gegenteil: Die Deutschen sind hilfsbereite, freundliche Menschen.“ Das gelte auch für die AfD. Er kommt noch mal auf den Hauptbahnhof zu sprechen: „Vor zwölf Jahren wurde ich noch oft kontrolliert. Aber seit sechs, sieben Jahren bin ich nicht mehr kontrolliert worden. Auch nicht in Kiel, die Polizei hat aufgegeben.“ Ganz so schlimm steht es um Kiel freilich nicht. Aus der aktuellen Polizeistatistik geht hervor, dass die Kriminalitätsbelastung im Zehn-Jahres-Vergleich um 18,75 Prozent zurückgegangen ist. Statt 32.097 (2006) bekannt gewordenen Straftaten wurden im letzten Jahr 26.078 registriert. Für Hamburg gilt: 236.547 Fälle 2006, 243.959 im Jahr 2015. Macht 3,1 Prozent mehr (bei 20.000 zusätzlichen Einwohnern).
Achille Demagbo, AfD-Politiker
Dass ausgerechnet Achille Demagbo andere Schlüsse zieht, muss nicht verwundern. Dass er radikal argumentiert, ebenfalls nicht. Schließlich ist seine Geschichte anders verlaufen als die vieler geflüchteter Menschen aus Westafrika.
Demagbo wurde in Benin nicht verfolgt. Er musste nicht hungern. Seine Voraussetzungen sind bessere gewesen. Beide Elternteile Lehrer, Schuldirektoren sogar. Wer so aufwächst, muss keine Drogen verkaufen, um ein paar Euro zu verdienen. Für ihren Sohn hatten die Eltern ein Studium im Ausland vorgesehen. Kanada am besten. Dass es dann doch Deutschland geworden ist, lag an Demagbos Wunsch, eine neue Sprache zu erlernen. Und: „Ich habe die deutsche Kultur schon immer geliebt.“ Goethe und Kant begeisterten ihn.
Er landete schließlich an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel. Nicht eben ein Umfeld, in dem man als anders Aussehender Rassismus befürchten muss. Selbst wenn man nur schlecht Deutsch spricht. Dort lassen sich schnell Freunde finden, die Berührungsängste sind gering. Demagbo fand auch einen ordentlichen Nebenjob in der Gastronomie. „Ich habe mir mein Studium als Tellerwäscher finanziert“, wird er häufig zitiert. Der alte Traum. Die Nummer kann er politisch bestens vermarkten.
An Unis schlägt das Pendel gern mal in die linke Richtung aus. So auch in Kiel: „Die allererste politische Info, die ich in diesem Land von meinen Kommilitonen bekommen habe, war: Pass auf, Linke, Grüne, SPD sind gut für dich; alles was rechts von der SPD steht, ist gegen Ausländer.“
Nur: Von Rot, Rot und Grün fühlte sich Achille Demagbo nicht angesprochen. Vielen Migranten erginge dies so, sagt er. 2013 trat Demagbo also der AfD von Parteigründer Bernd Lucke bei, der den Wirtschaftsflügel repräsentierte. Als daraus Frauke Petrys Anti-Flüchtlings-AfD wurde, blieb er dabei.
Die AfD passt eben zum sozialdarwinistischen Rassismus, den Demagbo aus dem Benin kennt. Der rechte Kurs, den der schwarze Seebär eingeschlagen hat, ist also kein Zufall. Er entspricht genau dem Kompass, den er in der Heimat mitbekommen hat.
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