Barbara Dribbusch über Wohnungsmangel: Wohnen als Verarmungsrisiko
Es wird zwar wieder mehr gebaut, aber eben für viele Menschen nicht finanzierbar. Die Zahlen des Verbändebündnisses Wohnungsbau zeigen, dass man kaum darauf hoffen kann, dass in nächster Zeit in den Ballungszentren viele günstige Wohnungen entstehen. Mieter sind nach wie vor schutzlos dem Markt ausgesetzt. Allmählich schält sich heraus, welche Folgen das haben kann für die Lebensqualität.
Ein Trend im Mietwohnungsneubau in den Ballungszentren geht zu kleineren Wohnungen. Das spart Bau- und Grundstückskosten. Aber es bedeutet auch, Kompromisse mit der Individualisierung zu schließen. Wenn das Appartement nur aus einem Wohn- und Schlafzimmer besteht, sind die Rückzugsräume in der Paarbeziehung begrenzt. Ein weiterer Trend sind lange Anfahrtswege. Wenn es günstige Wohnungen nur noch im Umland gibt, bedeutet dies, einen Großteil des Lebens in überfüllten Bahnen oder im Stau zu verbringen. Lange Anfahrtswege gelten in der Glücksforschung schon als bedeutendes Element, das das Wohlbefinden negativ beeinflusst.
Ein dritter Trend ist der steigende Anteil der Mietkosten an den Konsumausgaben: Wohnen als Verarmungsrisiko. Dies betrifft vor allem Bevölkerungsgruppen mit bescheidenem Einkommen. Eine Modernisierung der Wohnung samt saftiger Mieterhöhung kann einer Kleinrentnerin die ganze Altersplanung kaputtmachen.
Eine Wohnung ist kein Konsumgut wie jedes andere, denn Wohnen muss jeder. Und es klafft nun mal eine riesige Lücke zwischen Bau- und Grundstückskosten einerseits und der Einkommenssituation vieler Menschen andererseits. Wie und ob die Parteien im kommenden Bundestagswahlkampf auf diese Frage eingehen, ob sie weitere Einflussnahme beim Neubau und Mieterschutz versprechen – das wird auch darüber entscheiden, ob man der Politik noch Gestaltungsmacht bei wichtigen Verteilungsfragen zutraut. Oder eben nicht.
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