Niedersachsen: Wer zahlt das Tierheimfutter?: Geldstreit am Futternapf
Niedersachsens Kommunen wollen, dass die Futterhersteller für den Tierschutz bezahlen. Der Tierschutzbund und die Industrie halten diese Forderung für „absurd“
Der Sprecher des NSGB, Thorsten Bullerdiek, fordert das Verursacherprinzip ein: „Derjenige, der an den Verkäufen von Tieren und ihrer Haltung verdient, soll zahlen: Tierfutterproduzenten und Zoofachhandlungen.“ Bislang müssten für ausgesetzte Tiere Tierheime und Gemeinden aufkommen. Kürzlich gab es zum Thema sogar einen runden Tisch auf Bundesebene. Ergebnis: Der Bundeslandwirtschaftsminister solle die Industrie zu einem freiwilligen Spendenfonds überreden. Wenn das nicht funktioniere, müsse man eine gesetzliche Regelung finden, so Bullerdiek.
Freiwillig gespendet
„Das ist absurd“, sagt Dieter Meyer, Unternehmenssprecher von Vitakraft, „da versucht einer, der keine Ahnung hat, sich mit einer Aussage zu profilieren“. Laut Meyer unterstützen die meisten Unternehmen in der Futterindustrie bereits freiwillig Tierheime. „Wir bekommen pro Jahr etwa 200 Anfragen, verschenken Tierfutter und richten Tiertafeln ein“, so Meyer. Gerade letzte Woche habe sein Unternehmen einen Lkw mit Futter für bedürftige Tiere nach Rumänien geschickt.
Auch Fressnapf, der bundesweit größte Fachsupermarkt für Tierbedarf, spendet laut Unternehmenssprecher Kristian Peters-Lach seit über zwei Jahrzehnten Tiernahrung und -zubehör an Tierheime in finanzieller Schieflage. Peters-Lach sagt: „Rechnet man alle jährlichen Futter- und Sachspenden zusammen, ergäben die Paletten übereinander gestapelt einen Turm, der höher als das Empire State Building ist.“ Man habe sogar eine eigene Fachabteilung, „die unser gesamtes gesellschaftliches Engagement bündelt“, und außerdem im regelmäßigen und engen Austausch mit dem deutschen Tierschutzbund stehe.
„Die Futtermittelindustrie unterstützt den Tierschutz schon nach Kräften“, bestätigt Rolf Scherer, Vize-Vorsitzender des niedersächsischen Tierschutzbundes. Er befürchtet, dass Bullerdieks Forderung die Industrie verprellen könnte. Abgesehen davon sei die Versorgung von ausgesetzten Tieren kommunale Pflicht: „Wenn jemand ein Tier findet, kann er das laut Gesetz beim Bürgermeister auf den Schreibtisch stellen“, sagt Scherer.
Nur durch einen Fundtiervertrag können die Kommunen das Problem an einen Tierschutzverein auslagern. Darin ist unter anderem auch die Bezahlung der Tierheime geregelt – oftmals zu Ungunsten der Tierschutzvereine: Wenn etwa vereinbart ist, dass die Kommune nur Teilkosten für Fundtiere zahlen muss. Den Rest muss der Tierschutzverein durch Spenden, Erbschaften und die Arbeit von EhrenamtlerInnen stemmen. Scherer sagt, dass „die Kommunen die Spendenbereitschaft ausnutzen“.
Der Tierschutzverein Gifhorn hat einen besseren Vertrag ausgehandelt: Die Kommune kommt zu 100 Prozent für Fundtiere auf. Vom Jahresbudget von über 200.000 Euro macht das laut Schatzmeister Bruno Steder 120.000 Euro aus. Er sagt: „Wir sind keine Bittsteller, wir haben ein Recht darauf, dass uns diese Kosten für kommunale Aufgaben erstattet werden.“
Verhandlungen gescheut
Es liegt nahe, dass auch Steder die Forderung des NSGB für „absoluten Quatsch“ hält. Er berät Tierschutzvereine, die kurz vor der Insolvenz stehen. Versäumnisse sieht er auch auf Seiten der Tierschützer: „Die meisten Vereine mit Tierheimen haben es nicht geschafft, die Gemeinden in die Pflicht zu nehmen.“ Aus Angst sich vermeintlich gute Verhältnisse zur Kommune zu verscherzen, scheue man sich, zu verhandeln. Alarm werde erst dann geschlagen, wenn es finanziell fast schon zu spät sei.Laut Vize-Landeschef Scherer bekommen die meisten Tierheime nur ein Viertel bis zur Hälfte der Kosten für ausgesetzte Tiere erstattet. „Einige Tierheime stehen vor der Insolvenz.“
Alte Fundtierverträge seien zudem nicht an neue Probleme angepasst worden: etwa illegalem Tierhandel über das Internet. Dabei werden Haustiere im Netz bestellt und ausgesetzt, wenn das Tier nicht den Erwartungen entspricht. Infolgedessen haben laut Tierschutzbund auch Fälle von sogenannte, „Animal Hording“ zugenommen. Etwa, wenn ein Händler die Tiere nicht los wird. Es komme vor, dass in Wohnungen bis zu 60 Katzen oder 30 Hunden zusammen lebten. Laut Scherer suchen Tierheime nach überregionalen Lösungen und bringen Tiere in andere Heime mit freien Plätzen. Die Transportkosten tragen sie meist selbst.
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