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Gesetz für mehr LohngerechtigkeitEin bisschen fairer

Die Koalition will mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern schaffen – durch einen Auskunftsanspruch auf Kollegengehälter.

Laut Statistik bekommen Frauen im Schnitt 22 Prozent weniger Arbeitsentgelt als Männer Foto: dpa

Berlin taz | Der Streit über das Vorhaben tobt schon lange, doch jetzt wurde eine erste Einigung erzielt: Der Koalitionsausschuss aus Vertretern von Bundeskabinett und Fraktionen einigte sich am Donnerstag auf Eckpunkte für ein Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen. Demnach sollen Beschäftigte künftig einen Auskunftsanspruch bekommen, um zu erfahren, wie viel Kollegen in vergleichbarer Position im Betrieb verdienen. Der Wirtschaftsflügel der Union protestierte, Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) verteidigte das Vorhaben als „wichtigen Durchbruch“.

Laut Statistik bekommen Frauen im Durchschnitt einen um 22 Prozent niedrigeren Stundenlohn als Männer. Auch wenn man Variablen wie Ausbildung, Erwerbsverläufe und anderes herausrechnet, bleibt ein Unterschied von sieben Prozent.

Der Anspruch soll für Betriebe mit mehr als 200 Beschäftigten gelten, also für etwa 14 Millionen Leute. In diesen Betrieben können „Frauen und Männer sich dann Auskunft geben lassen, ob sie fair bezahlt werden“, sagte Schwesig. In tarifgebundenen Unternehmen können die Beschäftigten die Betriebsräte ansprechen, in Firmen ohne Betriebsrat und ohne Tarifbindung muss man sich direkt an den Arbeitgeber wenden.

Nach Auskunft der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) haben aber nur etwa sieben Prozent der betroffenen Unternehmen keinen Betriebsrat. Im überwiegenden Fall werde der Betriebsrat den Gehaltsvergleich ausrechnen, hieß es bei der BDA. Dabei wird aber nicht Auskunft darüber erteilt, was bestimmte Beschäftigte genau verdienen, vielmehr sollen anonyme gemischtgeschlechtliche Vergleichsgruppen aus mindestens fünf Personen gebildet werden, die in etwa eine gleichwertige Arbeit verrichten. Das durchschnittliche Gehalt in dieser Vergleichsgruppe wird dann ermittelt, liegen die Auskunftssuchenden darunter, können sie sich dagegen wehren.

„Die neue Transparenz wird beim Abbau der Lohnlücke helfen“, sagte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, „ein Auskunftsanspruch in Unternehmen jeder Größe wäre allerdings wünschenswert gewesen“.

Vereinbar mit dem Datenschutz?

Im Koalitionsvertrag war nur ein Auskunftsanspruch für Unternehmen ab 500 Mitarbeitern vereinbart. Der Beschluss verstoße gegen den Koalitionsvertrag, protestierte daher der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand, Christian von Stetten (CDU) in der Bild, „das darf so im Bundestag nicht beschlossen werden“.

Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) hat ein Auskunftsrecht immer kritisch gesehen. Auskunftsansprüche könnten den Datenschutz verletzen und trotz der Anonymität Unfrieden in die Betriebe bringen, heißt es in einem Papier der BDA. Die Arbeitgeber befürchten, dass man bei Bildung von Vergleichsgruppen in kleineren Betrieben auf die konkreten Kollegen und deren Verdienst rückschließen könnte.

Außen vor bleiben bei dem Vorhaben Arbeitnehmerinnen in Unternehmen mit weniger als 200 Beschäftigten, die auch gerne wüssten, was die Männer im Vergleich zu ihnen verdienen. Union und SPD seien mit dem Beschluss allenfalls „ein Schrittchen“ vorangekommen, sagte Grünen-Chefin Simone Peters.

Die Eckpunkte sehen auch vor, dass Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten aufgefordert werden, mindestens alle fünf Jahre ein Prüfverfahren zur Entgeltgleichheit durchzuführen. Dies ist allerdings freiwillig, Schwesig hatte sich für verbindliche Prüfungen eingesetzt.

Bei Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) konnte die Ministerin allerdings einen anderen Punkt durchsetzen. So soll der Kinderzuschlag für Geringverdiener zum Jahreswechsel um weitere zehn auf 170 Euro im Monat steigen. Auch die von Schäuble angekündigte Erhöhung des Kindergeldes um monatlich zwei Euro sowie eine leichte Anhebung der Freibeträge sollen kommen.

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10 Kommentare

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  • Ich habe auf einem Betriebsrat-Portal gelesen, dass die Frauen, zusätzlich zu dem alten Problem der ungleichen Bezahlung, auch von der Schattenseite der Digitalisierung der Arbeitsplätze stärker betroffen sind.

    Falls jemand Interesse hat, hier ist der Link: https://www.betriebsrat.de/portal/nachrichten/digitale-revolution-gefaehrdet-jobs-von-frauen.html . Es geht darum, dass die Frauen öfter niedrig bezahlte Berufe ausüben, wie z.B. Kassierer, und genau solche Jobs werden durch automatisierte Systeme ersetzt.

  • Ich halte die Gesetzesvorlage für wenig sinnvoll. Die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen beruhen im Wesentlichen darauf, dass Frauen schlechter bezahlte Berufe wählen, in Teilbetrag arbeiten etc. Das ist also kein Problem der Lohnungleichheit. Für die restlichen Fälle gilt: Arbeitgeber nicht mit zusätzlichen Bürokratieauflagen belasten. Und der Grundsatz der Vertragsfreiheit, der immerhin Verfassungsrecht hat, hat auch im Arbeitsrecht seinen Wert.

  • Das Problem ist, dass wir unzählige "Gründe" haben, warum Leute ungleich bezahlt werden dürfen - ja sogar müssen. Diese Gründe müssten angegangen werden.

    So haben z.B. Gewerkschaftsmitglieder teilweise Anrecht auf mehr Lohn. Leute, die länger dabei sind, haben Anrecht auf mehr Lohn. Leute die irgendwann mal höher eingestuft waren, erhalten mehr. Leute mit Familie erhalten bei den Beamten mehr - aber nur einer der beiden Partner.

    Was soll da ein Auskunftsanspruch, wenn die Regierung diese Verpflichtungen zur ungleichen Bezahlung nicht in Frage stellen will?

  • Ist ein dreifach schallendes "Bullshit!" ein Verstoß gegen die Netiquette?

     

    1. die Untergrenze von 200 AN bedeutet, daß nur etwa ein Drittel aller abhängig Beschäftigten überhaupt erfasst werden.

     

    2. Ausnahmen, Methoden und Betriebsrats-Gedöns führen doch nur dazu, daß diese Figuren (ich kenne nur Siemens und VW von von innen, vielleicht sind Betriebsräte andernorts ja doch zu was gut) sich noch wichtiger fühlen.

     

    3. Die 22% sind der Unterschied bei Vollbeschäftigten, nicht bei "gleicher Qualifikation". Selten erwähnt wird, daß Betriebe mit weniger als 10 AN nicht erfasst werden - man kann also davon ausgehen, daß die reale Realität von der statistischen nochmal abweicht.

     

    Besser: Skandinavien. Dort kann jede interessierte Person nach Registrierung den Steuerbescheid jeder anderen Person elektronisch aufrufen. So einfach wäre das, ganz ohne Bürokratie und Mehrarbeit.

     

    Jaja, Datenschutz, blabla.

    • Barbara Dribbusch , Autorin des Artikels, Redakteurin für Soziales
      @Wurstprofessor:

      Sie haben recht. Die 22 Prozent Lohnunterschied beziehen sich auf die durchschnittlichen Stundenlöhne von Männern und Frauen. Entschuldigung. Wird korrigiert. Gruß, Barbara Dribbusch

  • "Laut Statistik bekommen Frauen 22 Prozent weniger Arbeitsentgelt als Männer mit gleicher Ausbildung."

    Wäre das wtatsächlich der Fall würden Unternehmen nur Frauen einstellen um 22% Lohnkosten zu sparen.

  • Im Ansatz gut, jedoch glaube ich nicht, dass das das Grundproblem anpackt:

    Die Ungerechtigkeiten im Gehalt betreffen Festangestellte und Leiharbeiter, sie betreffen Alt und Jung und eben auch Frau und Mann; vielleicht sogar Passdeutsche und Ausländer? usw.

    Was wir letztlich benötigen sind keine Gesetze für die letzten 10 Prozent Gerechtigkeit.

     

    Wir brauchen Leute die sich die Rechte erkämpfen und gleichermaßen erarbeiten.

    Wir brauchen Visionen, dass mal alle Leiharbeiter 6 Wochen zu Hause bleiben bis diese bei gleicher Leistung korrekt entohnt werden wie Festangestellte. Oder mal alle Frauen.

    Mal richtig Druck in die Kessel...

     

    Gleichzeitig aber keine Gleichmacherei, den Spruch "gleiche Lohn für gleiche Arbeit" ist in vielen Bereichen doch genauso Schwachsinn.

    Hohe Leistung... muss besser bezahlt werden als eine niedrige. Und gesetzlich regeln lässt sich das nicht!

    Da braucht man Spielraum als Arbeitgeber.

    • @Tom Farmer:

      Sie haben ganz recht. Das ist dummer Aktionismus. Nicht nur sind die 25% falsch gerechnet - real sind es 3-7%. Zudem gibt es Tarifverträge und Gesetze, die unterschiedlichen Lohn für unterschiedliche Arbeit VORSCHREIBEN. Bevor wir die nicht abschaffen, klingt ein solches einseitiges Auskunftsrecht nach einem sexistischen Witz. Die echten Lohnunterschiede werden jedoch von Gewerkschaften und Verbänden verteidigt: Schließlich sollen Gewerkschaftsmitglieder mehr Lohn als Nichtmitglieder erhalten - aber für "gleichen Lohn für gleiche Arbeit" auf die Straße gehen...

      Diese Bundesregierung ist einfach nur noch ein Trauerspiel.

  • Ich finde das Gesetz gut. Es werden endlich Zahlen und Statistiken erhoben, die den Gender-Pay-Gap ins Reich der sozialpolitischen Propaganda verbannen werden ... denn wie die bisherigen 7% zusttande kommen, ist nämlich wenig seriös geschätzt.

  • Auf dem Weg durch die Ministerienabstimmung und Parlamente hat die SPD noch viel Zeit zum Umfallen... Wetten werden angenommen