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„Ich bin eigentlich ein Schatz“

Aufgestanden Beim letzten Treffen stand der ehemalige syrische Soldat Walid Al Abdullah noch auf Krücken. Mittlerweile hat er vier weitere Operationen hinter sich, lernt Deutsch und hofft darauf, vielleicht als Mechaniker bei der Bundeswehr zu arbeiten

Walid Al Abdullah hat bislang kaum Freunde gefunden Foto: Alke Wierth

taz: Herr Al Abdullah, sind Sie gewachsen, seit wir uns zuletzt gesehen haben?

Walid Al Abdullah: (lacht) Nein! Aber ich habe meine ursprüngliche Größe wieder. Durch die Schussverletzungen, die ich mir als Soldat der Freien Syrischen Armee (FSA) bei Kämpfen gegen die Assad-Truppen 2012 in Homs zugezogen habe, waren die Knochen in meinen Unterschenkeln zerstört und dadurch verkürzt. Nun haben sie – mithilfe von etwas Metall – ihre alte Länge zurück.

Als wir uns zuletzt gesprochen haben, hatten Sie 14 Operationen hinter sich und konnten mithilfe von Krücken stehen, aber kaum gehen.

Mittlerweile sind es 18 Operationen geworden, vier davon wurden hier in Deutschland durchgeführt. Ich habe noch Schmerzen, aber ich kann ohne Krücken laufen. Gott sei Dank, es geht mir gut.

Sind Sie noch in ärztlicher Behandlung?

Mein Arzt sagt, meine Knochen sollen erst mal zur Ruhe kommen. Dann werde ich Physiotherapie bekommen.

Im Dezember 2014 sagten Sie, sobald Sie gesund seien, wollten Sie nach Syrien zurück und wieder gegen Assad kämpfen.

Ja, das war damals mein Plan. Aber dafür werde ich nie wieder gesund genug sein. Ich war Fallschirmspringer bei der syrischen Armee, bevor ich 2011 zur Freien Armee wechselte, um die syrische Revolution zu unterstützen. Die Lage in Syrien hat sich seitdem sehr verändert.

Inwiefern?

Früher haben alle, die gegen Assad waren, die FSA unterstützt. Heute gibt es viele islamistische Gruppierungen und auch vom Ausland unterstützte Gruppen, die nicht mit der FSA koalieren. Sie vertreten ihre eigenen Ziele und Ideologien und wollen kein Syrien aufbauen, wie es die BürgerInnen wollten, die gegen Assad aufbegehrten.

Haben Sie den Plan, nach Syrien zurückzukehren, also ganz aufgegeben?

Nein, natürlich würde ich eines Tages gern zurückkehren. Aber niemand weiß, wann das sein kann. Also will ich mich hier integrieren und erst mal Deutsch lernen. Das konnte ich bisher wegen meines Gesundheitszustands und der vielen Krankenhausaufenthalte nicht.

Wie fühlen Sie sich denn hier in Berlin?

Einsam. Meine ganze Familie ist in Syrien, in meiner Heimatstadt Deir al-Sor, die noch unter der Kontrolle der Extremisten ist, die hier „Islamischer Staat“ genannt werden. Wir nennen sie Daesh. Ich konnte bisher wenig Freunde hier finden.

Wie kommt das?

Walid Al Abdullah

32, geboren in Deir al-Sor, war Soldat in der syrischen Armee, ab 2011 bei den Anti-Assad-Rebellen der Freien Syrischen Armee. Seit 2014 lebt er in Berlin.

Anfangs konnte ich ja kaum die Wohnung verlassen. Solange ich in Neukölln wohnte, kamen immerhin syrische Freunde zu Besuch. Nun wohne ich ganz am nordöstlichen Stadtrand. Es ist eine lange und beschwerliche Reise für mich bis in die Stadt, und vielen Freunden ist es zu weit, um mich hier zu besuchen. Ich würde gern wieder mehr in der Innenstadt wohnen, das würde vieles einfacher machen für mich.

Aber Sie besuchen einen Deutschkurs?

Ja, viermal wöchentlich im Wedding. Leider waren jetzt Ferien, das war sehr langweilig für mich. Ich versuche, mithilfe von Internetvideos selber Deutsch zu lernen. Und dann möchte ich möglichst schnell eine Arbeit finden, damit ich Menschen kennenlerne und Freunde finde.

Als was möchten Sie gern arbeiten?

Am liebsten bei der Bundeswehr natürlich! Soldat oder Fallschirmspringer kann ich leider nicht mehr sein, aber vielleicht Mechaniker. Aber das Wichtigste ist, dass ich überhaupt Arbeit finde. Die Behörden haben mich zu 30 Prozent als schwerbehindert, also vermindert erwerbsfähig, eingestuft. Mein Arzt will dagegen Widerspruch einlegen, er sagt, ich muss mindestens 50 Prozent bekommen. Dann könnte ich leichter Arbeit finden, weil Betriebe, die mich einstellen, dafür etwas Geld bekommen. Ich bin also für Arbeitgeber eigentlich ein Schatz!

Interview: Alke Wierth

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