Kennzeichnung von Geflügelfleisch: Deutsch, aber nicht besser

Der Lobbyverband von Wiesenhof wirbt für eine Herkunftskennzeichnung von Geflügelfleisch auch in der Gastronomie.

Hähnchen in einem Stall.

Masthähnchen in einem deutschen Stall. In Brasilien hätten sie mehr Auslauf Foto: dpa

Berlin taz | „Ich will wissen, woher mein Chicken-Döner kommt. Deshalb frage ich jetzt auch beim Imbiss.“ Das sagt im September ein Mann mit Vollbart und Kapuzenpulli in Anzeigen in regionalen und überregionalen Printmedien sowie auf Plakaten in Berlin, Hamburg, Köln und München. Auftraggeber ist der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG), der die Interessen unter anderem von Schlachtkonzernen wie Wiesenhof vertritt.

Mit der Kampagne will der ZDG seiner Forderung nach einer gesetzlichen Pflicht für Gastronomen Nachdruck verleihen, die Herkunft des Fleischs etwa auf der Speisekarte anzugeben. Rund 38 Prozent der pro Jahr in Deutschland verbrauchten 1,6 Millionen Tonnen kommen aus dem Ausland. Bisher muss nur die Herkunft von verpacktem Fleisch angegeben werden.

Die Kampagne ist Teil einer geschickten Strategie. Denn ihre Forderung können auch Verbraucherschützer unterschreiben, bei denen Wiesenhof und seine großen Konkurrenten wegen zahlreicher Tierschutzskandale einen miserablen Ruf haben. Laut einer Umfrage im Auftrag der Industrie wollen 85 Prozent der deutschen Konsumenten, dass die Politik für eine bessere Herkunftskennzeichnung sorgt. Gleichzeitig versuchen die Schlachtkonzerne mit der Werbung, ihr Image aufzubessern. „Geflügelfleisch aus Deutschland garantiert höchste Standards“, steht in kleinerer Schrift unter dem großen Slogan.

Deshalb sagt Eckehard Niemann, Agrarindustrieexperte der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL): „Ich halte diese Kampagne für ein Ablenkungsmanöver der Geflügelindustrie von den Qualhaltungsbedingungen in den allermeisten Ställen“. Sie suggeriere „zu Unrecht“, dass es in anderen EU-Ländern und auch in Brasilien generell schlechtere Haltungsbedingungen als hierzulande gebe.

Verräterische Studie

Indizien dafür finden sich ausgerechnet in einer Studie, die der ZDG vom „Handelsblatt Research Institute“ hat erstellen lassen. Zwar steht dort, dass etwa in Brasilien der Einsatz von Antibiotika nicht reguliert sei. Das südamerikanische Land hat 2015 laut Statistischem Bundesamt 3 Prozent der deutschen Geflügelfleischimporte geliefert. Aber in den Niederlanden, die 41 Prozent der Einfuhren stellten, verbietet eine EU-Verordnung den Einsatz dieser Medikamente als Wachstumsbeschleuniger ebenso wie in Deutschland.

In der Studie steht auch, dass Masthühner in Brasilien genauso viel oder sogar mehr Platz im Stall hätten als ihre Artgenossen in der Bundesrepublik. „Geschuldet ist dies den klimatischen Bedingungen der Hähnchenmast in Brasilien, die eine geringere Besatzdichte erforderlich machen“, so die Autoren. Die Besatzdichte ist der wichtigste Unterschied zwischen den Haltungsbedingungen.

85 Prozent der deutschen Konsumenten wollen eine bessere Herkunftskennzeichnung

In Deutschland sind je nach Gewicht des einzelnen Masthuhns 35 oder 39 Kilogramm Tier pro Quadratmeter Stall zulässig. Die Niederlande erlauben zwar die von der EU maximal zugelassenen 42 Kilo, aber nur, wenn zum Beispiel die Zahl vorzeitig verendeter Tiere und derjenigen mit Fußballen-Erkrankungen unter festgelegten Grenzwerten liegt. Polen, das 19 Prozent der deutschen Importe liefert, erlaubt ebenfalls 42 Kilogramm, wenn die Mortalität unter dem zulässigen Limit ist. In Österreich (6 Prozent der Einfuhren) dürfen Tiere mit einem Gewicht von insgesamt nur 30 Kilo auf einem Quadratmeter gehalten werden – 14 bis 23 Prozent weniger als in Deutschland.

Für Puten gibt es hierzulande gar keine Vorschriften – nur eine „freiwillige Selbstverpflichtung“. Und selbst die erlaubt 45 bis 50 Kilo Tier pro Quadratmeter. Österreich zieht schon bei 40 Kilo die Grenze.

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