piwik no script img

Wahlparty der SPDDie Genossen feiern den Verlust

Mit dem Wahlergebnis ist die Berliner SPD gerade noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Zumindest vorerst.

Staatsmännische Pose, miserables Ergebnis: Michael Müller mit Ehefrau Claudia Foto: dpa

Auf Wahlpartys ist manchmal Beifall ein besserer Gradmesser für die Stimmung als manch wortreiches Zitat. Als die erste Prognose der ARD über die Leinwand in der Columbiahalle flimmerte und der SPD-Balken bei 23 Prozent stehen blieb, waren die SPD-Anhänger einen Moment sprachlos. Erst als der Balken des Noch-Koalitionspartners CDU bei 18 Prozent endete, begannen einige zu klatschen.

Mit dem Ergebnis vom Sonntag ist die Berliner SPD gerade noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Das Ergebnis der Prognose bedeutet zwar ein Minus von fünf Prozentpunkten gegenüber der Wahl 2011, bei der die SPD 28,3 Prozent der Stimmen bekommen hatte. Es ist aber auch mehr als die 21 Prozent, die Infratest dimap mehrfach für die Partei des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller vorhergesagt hatte.

Entscheidend für das Wohlbefinden der Genossinnen und Genossen war der Abstand zur CDU, die bei den Prognosen bei 18 Prozent lag. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat damit den CDU-Spitzenkandidaten und Innensenator Frank Henkel auf jenen fünf Prozent Abstand halten können, die beide Parteien auch schon 2011 auseinandergelegen hatten.

Unklar war zuletzt gewesen, wie sich die jüngsten Attacken der Grünen und Linken gegen SPD-Bausenator Andreas Geisel auf das Ergebnis der SPD auswirken würden. Hintergrund war eine E-Mail des Sprechers der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Degewo, in der es unter Berufung auf Geisels Sprecher Martin Pallgen hieß, dass „kritische Berichte zur Mieterratswahl vor diesem Sonntag möglichst zu unterbinden sind“.

Zwar dementierte Pallgen umgehend, dies so geäußert zu haben, und der Degewo-Sprecher wurde inzwischen vom Dienst suspendiert. Doch der Ausschluss von mehr als 100 Bewerbern für die Wahl der Mieterräte bleibt politischer Streitpunkt. Die grünen Fraktionschefinnen Ramona Pop und Antje Kapek warfen der SPD „Vetternwirtschaft, Filz, Tricksereien und Intransparenz“ vor. „Nach 25 Jahren im Senat nehmen es die Genossen mit den demokratischen Spielregeln offenbar nicht mehr so genau“, hieß es am Samstag. Linken-Spitzenkandidat Klaus Lederer twitterte: „Starker Tobak“.

Große Vorfreude auf neues Bündnis

Bei der SPD-Wahlparty wollte am Sonntagabend kaum einer über die Affäre Pallgen sprechen. Vielmehr war die Vorfreude groß auf ein neues Bündnis in der Hauptstadt. Auch das zeigte das Beifallsbarometer in der Columbiahalle. Richtiger Jubel kam unter den 300 Anhängern der SPD erst auf, als der ARD-Moderator feststellte, dass die SPD-CDU-Koalition klar abgewählt sei. Und er steigerte sich noch, als das Tortendiagramm verdeutlichte, wie groß die Mehrheit für Rot-Grün-Rot wäre. Ganz offenbar ist dieses Dreierbündnis die Wunschkoalition der SPD-Basis.

Ob es auch die Wunschregierung von Wahlsieger Michael Müller ist, bleibt zunächst offen. Zunächst ließ sich der Wahlsieger feiern. „Wir haben unser Ziel erreicht. Wir sind stärkste politische Kraft in der Hauptstadt und werden auch weiter den Regierenden Bürgermeister stellen“, sagte ein sichtlich erleichterter Müller und kündigte an, dass nun „schwierige Gespräche und Verhandlungen“ bevorstünden.

Die Berliner SPD will nach den Worten ihres Fraktionschefs Raed Saleh mit allen demokratischen Kräften über eine mögliche Regierungsbildung sprechen. Nach den Hochrechnungen von 19 Uhr kam allerdings außer Rot-Grün-Rot nur noch eine rot-schwarz-gelbe „Deutschlandkoalition“ rechnerisch in Frage.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!