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Zur UN-MegastadtkonferenzSchaut auf diese Städte

Der städtische Raum dient seit jeher als Folie für Träume. Heute sind Megastädte eine ständige Herausforderung für globale Politik.

Dem Glanz der Großstädte folgen viele – für die allermeisten bleibt er aber nur ein ferner Schimmer Foto: reuters

Die Großstadt als Ort, wo Altes abgeworfen und Neues erschaffen wird, wo die Entfaltung des freien Individuums an die Stelle von Tradition und Familie tritt – diese Utopie ist so alt wie das städtische Leben selbst. Von der Athener Demokratie der Antike bis zu den Bildungsromanen des europäischen 19. Jahrhunderts und ihren postkolonialen Erben weltweit wird die Metropole immer wieder aufs Neue als aufregender Gegensatz zur ländlichen Monotonie inszeniert. „Alles Ständische und Stehende verdampft“, schrieb dazu einst Karl Marx mit seinem berühmten Satz über die Wucht der kapitalistischen Entwicklung. „No Condition Is Permanent“ lautet diese Erkenntnis auf den Lastwagen von Lagos, einer der am schnellsten wachsenden Megastädte der Welt.

Die Megastadt – definiert als städtischer Raum mit mindestens 10 Millionen Einwohnern – steht im Mittelpunkt des dritten Habitat-Gipfels der Vereinten Nationen, anlässlich dessen die taz diese Sonderbeilage herausgibt. Die UNO erkennt 29 Megastädte an, und es werden immer mehr. Manche sind schon ermattet und fast museal, andere wuchern unkontrolliert; manche entziehen sich jeder stadtplanerischen Kontrolle, andere sind Ruinen großspuriger Reißbrettfantasien.

Megastädte erzeugen immense Probleme – und bieten zugleich immense Chancen. „Der Mensch wird so, wie die Stadt ihn macht, und umgekehrt“, schrieb Alexander Mitscherlich vor über 50 Jahren in seiner berühmten Streitschrift Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Die Stadt sei „einerseits Ort der Sicherheit, der Produktion, der Befriedigung vieler Vitalbedürfnisse. Andererseits ist sie der Nährboden, der einzigartige Ort der menschlichen Bewußtseinsentwicklung.“

Die 29 Megastädte auf der UN-Liste haben zusammen 470 Millionen Einwohner. Nur in 88 Ländern der Welt leben überhaupt mehr als 10 Millionen Menschen. Städte dieser Größenordnung sind ihrer Natur nach permanente Infragestellungen des Gleichgewichts ihrer Länder.

In Kleinstädten beginnt, was Erfüllung in Metropolen findet

Die großen Revolutionen und Umstürze unserer Zeit haben ihren Ursprung zwar fast immer im kleinstädtischen Milieu, in der direkten persönlichen Konfrontation zwischen Machthabern und Entrechteten; aber ihre Erfüllung finden sie in den Metropolen, wo die Staatsmacht sitzt und wo die Bürger zusammenstehen. Nirgendwo sonst kann die Staatsmacht so direkt herausgefordert werden, nirgendwo sonst kann sie so geballt zurückschlagen.

Einige Wenige schaffen sich im metropolitanen Raum Blasen des Wohlstands und des Anschlusses an die Globalisierung

„Die Großstadt, das vielarmige Ungeheuer, ist immer etwas Politisches“, schrieb Henri Lefèbvre, der französische Stadtsoziologe, kurz nach der 1968er Revolte in Paris. „Sie schafft das dem Entstehen einer autoritären Macht günstige Milieu, eines, in dem Organisation und Überorganisation herrschen.“ Aber in den globalen Megastädten von heute ist die Politik eher damit beschäftigt, das städtische Ungeheuer zu bändigen, manchmal brutal, zuweilen vergeblich.

An die Stelle der direkten Kontrolle tritt die Segregation, das Fernhalten der Armen und die Abschottung der Reichen. Damit entwickelt die Megastadt eine ganz eigene Dynamik, zunehmend losgelöst vom Rest des Landes und zugleich ein Brennglas der allgemeinen sozialen Schichtung.

Es gibt keine Megastadt ohne Ungleichheit. Die institutionalisierte Entrechtung von Zuzüglern vom Land etwa in China ist nur die kodifizierte Form eines weltweit zu beobachtenden Gefälles. Einige Wenige und Begüterte schaffen sich im metropolitanen Raum Blasen des Wohlstands und des Anschlusses an die Globalisierung. Und die Vielen und Verzweifelten streben zu diesen Blasen wie Motten ans Licht, dauernd auf der Suche nach Nahrung und ständig auf Distanz gehalten.

Die unendlichen Slums rings um die Glitzerzentren der Megastädte Asiens, Afrikas und Lateinamerikas sind nur scheinbar chaotisch. In Wahrheit herrscht dort, wo das tägliche Überleben jeden Tag neu zur Disposition steht, meist strenge Ordnung: jedes Zeitsegment, jeder Quadratmeter, jeder Funke Energie muss produktiv genutzt werden, sonst geht man unter. Außenstehende müssen das nicht durchschauen. Undurchsichtigkeit ist der Selbstschutz der Armen vor den Ansprüchen der Mächtigen.

Für diesen Gegensatz ist die Megastadt die Bühne. Und für Politik im Sinne einer Verbesserung von Lebensverhältnissen ist die Nagelprobe, inwieweit sie diese verborgenen Ordnungen, das Stadtgewebe und die Menschen dahinter, anerkennt und achtet.

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1 Kommentar

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  • Für mich haben die Megastädte etwas. Ich finde es beeindruckend wenn ich aus Deutschland in ein Land mit einer solch Megastadt komme. Zurück in Deutschland wirken unsere Städte wie winzige Puppenstädte. Aber Probleme gibt es dort leider tatsächlich genügend: soziale Ungerechtigkeit, Probleme mit Müll und der Luft, Mega-Staus, Immobilienpreise und und und. Von daher sehe ich mir diese Entwicklungen zwar gern an, aber habe auch meine Zweifel an dem ökologischen Unsinn.