portrait: Personenschützender Parlamentarier
Marianne Birthler wird rote Bäckchen kriegen vor Freude: Die Hüterin der Stasi-Akten hatte die richtige Spürnase. Unter den 54 Fraktionsmitgliedern der Linkspartei.PDS gibt es doch ehemalige Stasi-Mitarbeiter. Zumindest einen hauptamtlichen, enthüllte der Spiegel als treuer Zuarbeiter der Birthler-Behörde. Der Schleswig-Holsteiner Spitzenkandidat Lutz Heilmann hat von 1985–1990 für das DDR-Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet.
Heilmann war 19, als er den Posten als Personenschützer bezog und auf die Stasi-Gehaltsliste kam. Den Stasi-Dienst habe er, so Heilmann in seiner Presseerklärung, als Wehrdienstersatz abgeleistet. „Dieser Dienst gab mir die Möglichkeit, in Berlin zu leben.“ Ein ehrenwertes Motiv, wenn man im sächsischen Zittau geboren ist, das seine Lage am Ende der Welt mit dem Zusatz Dreiländereck aufwertet. Und weil es ihm in Berlin so gut gefiel, dehnte er den Ersatzdienst auf fünf Jahre aus. Nach dem Mauerfall reichte er seine Entlassung ein und verzog sich aus Berlin, wo die Menschen Stasi-Objekte besetzten und Mitarbeiter verängstigten, die die Reißwölfe fütterten.
Heilmann kehrte nach Zittau zurück, leitete die Geschäftsstelle der PDS und studierte BWL. Nach einem Jahr verließ er die Partei. Nun reiste er nach Norden, studierte in Berlin und Kiel. Zugleich gründete er in Mecklenburg-Vorpommern einen Landesverband der PDS-nahen solid-Jugend. 2000 trat er, älter und gereift, wieder der PDS bei, ließ sich nach Streit im Landesverband nach Schleswig-Holstein versetzen und wurde 2005 Spitzenkandidat der Linkspartei.
Seinen Wahlkampf managte Ex-Kollege Bernd Michels, der 1996 wegen Spionage zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden war. Michels schmiss wegen des Gezänks um seine Person das Handtuch. Heilmann informierte nach eigenen Angaben die Linkspartei.PDS über seine Vergangenheit. „Die entsprechenden Regelungen der Linkspartei wurden also erfüllt“, so sein Fazit. Auch Linkspartei-Sprecher Henrik Thalheim sieht keinen Grund, die Sache aufzubauschen. „Heilmann wurde ganz normal für den Wehrdienst gemustert.“ Die Abteilung Personenschutz sei nun mal bei der Stasi angesiedelt gewesen und hätte Aufgaben wie die heutigen LKA oder das BKA, so Thalheim zur taz. Dass die Stasi wesentlich mehr war als eine Institution zum Ausspähen der Bürger, ist sicher richtig. Wenn aber Heilmann und seine Partei dessen frühere Tätigkeit als völlig unproblematisch bewerten, warum wird sie dann dem Wähler verheimlicht? In Heilmanns Bundestags-Biografie steht für 1985 bis 1990 schlicht „Wehrdienst“. Für dessen Abschaffung setzt sich Heilmann übrigens ein. ANNA LEHMANN
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