Nach Sánchez' Rücktritt in Spanien: Zurück bleibt ein Trümmerhaufen
Der Parteichef der PSOE hat monatelang um die Macht gepokert und ist gescheitert. Nun stellen sich die Sozialisten ins Abseits.
Als die Versammlung dann nach mehr als zehn Stunden doch noch beschloss, über den weiteren zeitlichen Fahrplan für einen Weg aus der Parteikrise abzustimmen, war Sánchez der offensichtliche Verlierer. Der Parteichef der Sozialisten nahm daraufhin ganz offiziell den Hut. Ein kommissarischer Vorstand wurde in aller Eile eingesetzt. Dieser soll jetzt die PSOE wieder zusammenbringen und den Schaden begrenzen.
Leicht wird das nicht. Denn nach dem Streit ist vor dem Streit. Sánchez wurde parteiintern abgesägt, weil er sich über Monate geweigert hatte, eine konservative Minderheitsregierung unter Rajoy per Enthaltung im Parlament zu ermöglichen. Die Kritiker wollen genau dies und müssen das jetzt innerparteilich durchsetzen und der Basis und den Wählern vermitteln. „Erst eine Regierung, dann die Probleme der Partei“, erklärte Susana Díaz, Parteichefin im südspanischen Andalusien und Strippenzieherin beim Putsch gegen Sánchez immer wieder.
Sánchez hinterlässt einen Trümmerhaufen. Viele fragen sich, ob es das wert war. Denn der abgesägte Generalsekretär verfolgte keine grundlegend andere Politik als seine Kritiker. Sánchez, neoliberaler Wirtschaftsprofessor an einer rechten Privatuniversität in Madrid, paktierte nach den Wahlen im Dezember mit den rechtsliberalen Ciudadanos (C’s) und akzeptierte deren Wirtschaftsprogramm weitgehend. Es ist das gleiche Programm, dass sich die konservative Partido Popular (PP) jetzt nach den erneuten Wahlen im Juni bei ihrem Pakt mit C’s zu eigen machte.
Spanies Medien unterstützten den Sturz von Sánchez
Auf die linke Protestpartei Podemos, die eine Koalition mit dem Ziel angeboten hatte, die Sparpolitik zu beenden und die soziale Krise zu bekämpfen, ging Sánchez im Winter gar nicht erst ein. Nach den Wahlen im Juni verteidigte er sein „Nein heißt nein“ – keine Unterstützung für Rajoy, ohne eine eigene Alternative aufzuzeigen. Als Sánchez in den letzten Tagen vor seinem angekündigten Tod plötzlich doch noch von einer Regierung des Wechsels mit Podemos redete, tat er dies offensichtlich, um seine eigene Haut zu retten. Nach weiteren schlechten Wahlergebnissen in Galicien und im Baskenland hätte nur sein Einzug in den Regierungspalast die Kritiker ausbremsen können, war sich Sánchez sicher.
Spaniens Parlament hat noch bis zum 31. Oktober Zeit, sich auf eine neue Regierung zu einigen. Nach dem Sturz des sozialistischen Generalsekretärs Pedro Sánchez ist der Weg für eine Linksregierung endgültig verbaut. Es bleibt nur die Option einer erneuten Regierung unter dem Konservativen Mariano Rajoy. Seine Partido Popular kommt zusammen mit den rechtsliberalen Ciudadanos, die ihn unterstützen, auf 170 Abgeordnete, sechs zu wenig für die absolute Mehrheit im Parlament. Sollte Rajoy erneut um das Vertrauen der Abgeordneten werben, müssten sich im zweiten Wahlgang für die einfache Mehrheit die Sozialisten enthalten. Einigt sich das Parlament nicht, wird im Dezember zum dritten Mal gewählt.
Doch Díaz und ihre Regionalfürsten kamen ihm zuvor. Allein die theoretische Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung von Podemos war ihnen zu gefährlich. Konservative und rechte Sozialdemokraten eint die Treue zur Sparpolitik und zum Diktat aus Brüssel, Berlin und den Interessen, die sich hinter dem Begriff Märkte verstecken. Spaniens Medien unterstützten den Sturz von Sánchez.
So mancher Kommentator und Analyst sieht die PP jetzt erneut an der Macht. Doch Rajoy geht nach dem Debakel bei den Sozialisten noch einen Schritt weiter. Er will sich nicht mehr nur mit seiner Wahl zum Regierungschef durch die Enthaltung der PSOE – die immer wahrscheinlicher wird – zufrieden geben. Er will jetzt eine aktive Unterstützung für den kommenden Haushalt, in dem weitere 10 bis 15 Milliarden Euro eingespart werden sollen, so die Vorgabe aus Brüssel.
Die PSOE droht sich daran aufzureiben, wie einst die griechische Pasok. Bei Podemos bereiten sie sich auf ein ganz neue Rolle vor. Die Partei sei jetzt „die einzige Alternative zur PP“, erklärte am Samstag Parteichef Pablo Iglesias. Davon freilich konnte er bisher die Wählerinnen noch nicht überzeugen.
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