piwik no script img

PortraitDie Sture

Hat jetzt viel Zeit: Christiane Dienel, Ex-Präsidentin Foto: dpa

Im Streit um ein angeblich antisemitisches Seminar in Hildesheim ist die Präsidentin der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) unter die Räder gekommen: Kürzlich war bekannt geworden, dass Professorin Christiane Dienel schon vor fünf Jahren über die Kritik an dem Seminar „Soziale Lage der Jugendlichen in Palästina“ informiert worden war. Sie habe den Anhang der betreffenden E-Mail nicht geöffnet, verteidigte sich die Hochschulpräsidentin – so, wie sie es häufig tue.

Im vergangenen Jahr hatte der Zentralrat der Juden die Hochschule sowie das niedersächsische Kultusministerium darauf hingewiesen, dass in dem Seminar ausgeprägt israelkritische Materialien verwendet würden. Darin sei es um angebliche Folteropfer in israelischen Gefängnissen gegangen und den angeblichen Diebstahl von Organen durch die israelische Armee.

Die Kritik einer Dozentin an dem Seminar bügelte die zuständige Dekanin Christa Paulini erst mal als „persönliche Empfindlichkeit“ ab. Doch der Fall schlug hohe Wellen – irgendwann erklärte gar der Sprecher des israelischen Außenministeriums in der Jerusalem Post, die ganze HAWK sei „eine Hassfabrik“.

Zuletzt ging es nun darum, dass der Berliner Mediziner Ralf R. Schumann an dem Seminar „massive einseitige antiisraelische Propaganda“ feststellte, was er per E-Mail Dekanin Paulini mitteilte. In Kopie ging die Nachricht auch an Präsidentin Dienel. „Hätte ich das Schreiben aufgemacht, hätten die Alarmglocken geschellt“, versicherte die der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Michael Höntsch verlangte daraufhin, die Präsidentin – eine Parteifreundin – müsse einräumen: Die Seminare mit antisemitischem Inhalt seien falsch gewesen. Es müsse sichergestellt sein, dass sich derartiges nicht wiederhole. Die Grünen forderten, die Hochschule müsse den Vorwürfen gewissenhaft nachgehen.

Abgesetzt hatte die HAWK das umstrittene Seminar bereits Anfang August und stattdessen ein neues Lehrformat zum Thema „Nahostkonflikt und soziale Arbeit“ angekündigt. Außerdem soll ein Gutachten des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung die Vorwürfe klären.

Dienel sah sich offenbar in der Pflicht, sich vor Hochschule und Mitarbeiter zu stellen. Noch kurz bevor das Seminar abgesetzt wurde, verteidigte sie es in der taz: Dass antiisraelische und zum Teil antijüdische Materialien verwendet würden, bedeute ja nicht, dass man auch diese Inhalte vermittele. „Das ist ebenso abwegig, wie einem Seminar über Antisemitismus vorzuwerfen, dass dort antisemitische Texte gelesen werden“, argumentierte sie.

Dienel war seit 2011 Präsidentin der HAWK. Erst im Mai war sie für eine zweite Amtszeit wiedergewählt worden. Ab 2006 war die Mutter dreier Kinder Staatssekretärin im sächsisch-anhaltinischen Ministerium für Gesundheit und Soziales. 2009 wurde sie dort mit einer dürren Mitteilung entlassen. Dienel erklärt das mit mangelndem Vertrauen. Gernot Knödler

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen