piwik no script img

Claus Leggewie zur Krise der EU„Wir Europäer sollten aufwachen“

Claus Leggewie über soziale Probleme des Kontinents, Ähnlichkeiten rechter und islamistischer Ideologie und Maßnahmen gegen das Gefühl des Abgehängtseins.

„Ich will verhindern, dass Merkmale wie Hautfarbe absolut werden“, sagt Leggewie Foto: dpa
Ingo Arzt
Jan Feddersen
Interview von Ingo Arzt und Jan Feddersen

taz: Herr Leggewie, Europa scheint darniederzuliegen: Die Briten sind ausgetreten, die restlichen Staaten sind in der Flüchtlingsfrage entzweit. Wie wäre es, wenn wir dieses Gespräch mit einem Manifest zur Schönheit des europäischen Gedankens beginnen?

Claus Leggewie: Das wäre genau das, was wir im Moment brauchen. So wichtig es ist, sich mit den Manifesten der Anti-Europäer zu beschäftigen, so wichtig ist es auch, von ihnen wieder abzusehen und eine alternative Erzählung von Europa zu präsentieren, die – wie man so schön sagt – die Menschen draußen im Land begeistert und ihnen eine Perspektive gibt.

Wozu?

Damit wir wegkommen vom Duktus, der im Moment allgegenwärtig ist, Europa sei in Gefahr und gehe unter. Oder wie die Rechten sagen: Europa sei dekadent. Wir brauchen eine Erzählung, die mitreißt und in der Lebenswelt der Europäer anschlussfähig ist.

Wie sähe so eine gelungene europäische Erzählung aus?

Eine Erzählung davon, wie wir in den nächsten beiden Jahrzehnten ein nachhaltiges Europa schaffen, aber auch eines, das sozial gerechter ist, das öffentliche Räume erhält und schafft, das lebenspraktisch klarmacht, welche Vorzüge europäische Urbanität besitzt, wie eine Kultur des Pluralismus aussieht. Vieles von dem existiert ja längst. Aber wir müssen präziser beschreiben, was wir an Europa gut finden, es ausmalen, so dass das Bild zukunftsfest und für künftige Generationen anziehend ist. Da ist besonders die mittlere Generation gefragt, die im Beruf, im Alltag, im sozialen Engagement Europa sozusagen täglich lebt und baut, dies aber zu wenig nach außen deutlich macht.

imago/Müller-Stauffenberg
Im Interview: Claus Leggewie

Der Mann: Jahrgang 1950, Leiter des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen, Professor für Politikwissenschaft in Gießen.

Das scheint im Moment sehr schwer. Wer die Aufnahme von Flüchtlingen gut findet, muss sich rechtfertigen. Wer humanitär agieren und Menschen in Not helfen will, gerät in die Defensive. Es ist die Rechte, die den Diskurs bestimmt.

Das muss aber nicht sein. Das Flüchtlingsthema beherrscht den medialen Diskus und die Fantasien vieler Europäer, aber es gibt ebenso wichtige und wichtigere Themen, die deren Integration und den Wunsch, unseren kulturellen Pluralismus auszubuchstabieren, enthalten. Eine attraktive europäische Agenda gibt auch Antworten auf die offenen Integrationsfragen, die Alteingesessene nicht minder betreffen.

Aber wie bekommt man xenophobe Gefühle in den Griff? Die existieren ja in Ungarn, Tschechien, Polen und auch in Deutschland und Frankreich.

Wenn ich das Patentrezept wüsste, wäre ich Chef der EU-Kommission. Es steckt ja ein Körnchen Wahrheit darin: Die Menschen realisieren, dass Globalisierung keine Einbahnstraße war. Aber Ängste widerlegen zu wollen, in dem man die Flüchtlingsproblematik als Thema Nummer eins bestätigt, bringt uns nicht weiter.

Was schlagen Sie vor?

Wir müssen deutlich machen, dass die Flüchtlinge für die europäische Rechte bloß ein Vorwand sind, um ein Gefühl des Abgehängtseins, des Verlusts einer weißen Dominanz, zu artikulieren.

Man sollte also über soziale Fragen und weniger über Hautfarben und die daraus resultierenden Identitäten sprechen?

Genau. Weil auch Alteingesessene keine Wohnung und keine vernünftige Arbeit finden.

Wenn sie in Deutschland leben und eine dunkle Hautfarbe haben, wird es schwierig darüber nicht zu sprechen. Rassismus ist nun mal da. Schlagen Sie vor, ihn zu ignorieren?

I wo. Es gibt spezielle Probleme von Flüchtlingen auf dem Wohnungsmarkt, Menschen mit nicht weißer Hautfarbe werden diskriminiert. Gleichzeitig müssen wir diese Probleme im Kontext der sozialen Ungleichheit betrachten. In diesem Fall: der Knappheit auf dem Wohnungsmarkt. Ich will nur verhindern, dass Merkmale wie Hautfarbe oder ein religiöses Bekenntnis – zum Beispiel der muslimische Glaube – absolut werden und sich dadurch soziologisch überhaupt nicht mehr auf etwas anderes beziehen lassen.

taz.meinland

Unter dem Titel „taz.meinland – taz on tour für die offene Gesellschaft“ besuchen wir bis zur Bundestagswahl im Herbst 2017 etwa 50 unterschiedliche Re­gio­nen und Städte. „meinland“, denn wir finden uns nicht damit ab, dass reaktionäre und rassistische Parolen den Ton in Deutschland bestimmen.

Wir wollen die anderen, die Mehrheit besuchen, die Zivilgesellschaft und über Konflikte und die verbreitete Nervosität reden. Wir wollen die hören und sehen, hörbar und sichtbar machen, die mit „mein Land“ ein offenes Deutschland meinen. Mit anderen Worten: Wir kommen zu Ihnen, wir als taz haben unsere Community nicht zu Gast – wir besuchen Sie, um zu erfahren, was sich von den Berliner Schreibtischen aus nicht erkunden lässt.

Alle Besuchstermine und weitere Infos finden Sie auf www.taz.de/meinland

In ihrem Buch „Anti-Europäer“ ziehen Sie das Manifest von Anders Breivik, dem rechtsextremistischen, islamfeindlichen norwegischen Terroristen und Massenmörder, heran und zeigen die Parallelen zur neuen Rechten. Ist das als Polemik gemeint? Wollen Sie sagen: Selbst dieses irre Hirn denkt so wie ihr?

Vergleichen heißt nicht gleichsetzen. Wenn Sie das Manifest Breiviks genau lesen, geht es erst im zweiten Teil um die Logistik des Terroranschlags. Der erste Teil ist der Originaltext des Islamophoben. Was er da schreibt, hören Sie heute in ganz Europa in identitären Kreisen. Damit unterstelle ich nicht, dass alle Identitären Terroristen sind. Aber die Fantasie der „Umvolkung“, daraus folgend der gewaltsamen Säuberung und Exklusion, die stellen Sie nicht nur bei Breivik, sondern im gesamten rechtsintellektuellen Spektrum fest. Und natürlich bei den Straßenprotesten von Pegida, den Aufmärschen vor Flüchtlingsheimen.

Schauen Sie manchmal auf Europa und denken sich: Sind die Rechten bekloppt, hier von Reinheit zu fantasieren? Kein Kontinent ist so heterogen.

Das Umschwenken von Klassenfragen und von sozialpolitischen Fragen hin zu Identitätsfragen, wie sie in den 60er Jahren auch die sozialen Bewegungen betrieben haben, also der Wechsel von Klassenanalyse und Klassenkampf zu „race-class-gender“, fällt uns jetzt auf die Füße. Der amerikanische Philosoph Richard Rorty warnte schon in den Neunziger Jahren vor dem Identitätszirkus im akademisch-amerikanischen Raum und der damit verbundenen politischen Korrektheit.

Was meinen Sie konkret?

Nehmen wir das Beispiel der Einwanderer: Erst waren sie „ausländische Arbeitnehmer“, es ging also um soziale Aspekte, dann waren sie „Türken / Kurden“, sie wurden also über ihre Nationalität oder Ethnizität definiert. Heute sind sie „Muslime“, werden also religiös definiert. Auf diese Weise werden eine in sich schon vielseitige Ich-Identität und ein gelegentlich auftretendes Gemeinschaftsgefühl zum starren Wir-Gefühl stilisiert: „Wir“ gegen „die“, zum Beispiel: „Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes“. So, als wäre man nichts sonst als Christ und als wären Muslime mit allen Herkunftsbrüdern und Glaubensschwestern unverbrüchlich im Bunde.

Neben Breivik ziehen Sie Putin-Berater Alexander Dugin heran, der sich als „Eurasier“ versteht. Und Dschihadisten wie der Syrer Abu Musab al-Suri. Wo liegen da die Gemeinsamkeiten?

Die ersten beiden beziehen sich auf eine Strömung der „Konservativen Revolution“, die es in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts gab. Als Liberalismus und das demokratische Gemeinwesen ebenso stark in der Kritik standen und eine intellektuelle Brücke zum Faschismus und zum Nationalsozialismus gebaut wurde. Bei allen dreien spielt der Raum in der Politik eine große Rolle. Das Gemeinwesen wird nicht über die Verfassung, über Rechtstaatlichkeit oder demokratische Partizipation konstruiert, sondern über Raumordnung. Dahinter steckt der Gedanke, dass die geografische Lage das politische System bestimmt. Deshalb: christliches Abendland, islamisches Kalifat, eurasische Autokratie. Ebenso gemeinsam ist allen drei Strömungen die Resakralisierung von Politik.

Was ist damit gemeint?

Alle drei lehnen die Trennung von Religion und Politik ab. Die Eurasier zielen auf eine Stärkung der Orthodoxie, die Dschihadisten wollen einen von der Scharia geleiteten Gottesstaat und die Abendländler eine christliche Leitkultur. Die dritte Gemeinsamkeit ist schließlich der Kampf gegen einen kulturellen Pluralismus, von dem ich vorher sprach.

Sie schreiben an einer Stelle: Würde man die drei Protagonisten in eine Gefängniszelle sperren, sie würden sich gegenseitig an die Gurgel gehen. Das wäre gar nicht so schlecht.

Das Problem ist nur, dass sie in nächtlichen Gesprächen – falls sie sich nicht umgebracht haben – ihre fatalen Gemeinsamkeiten entdecken würden. Das ist schon einem der christlichen Rechten in den Vereinigten Staaten gelungen. Sie haben religiös-zionistische Kreise für sich gewinnen können, aber auch sozialkonservative Muslime. Was sie vereint, ist die Ablehnung des westlichen Liberalismus. Und hier sehen wir das vierte Bataillon von Anti-Europäern. Wobei Trump nicht den religiösen Diskurs bedient, sondern ebenfalls einen autoritären Nationalismus, und damit europäischen Autokraten wie Le Pen, Orbán oder Putin sehr nahe kommt. Wir Europäer sollten langsam aufwachen und uns nicht spalten lassen und die Feinde Europas in ihre Schranken weisen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • Claus Leggewie sagt, was die Generation der Nachkriegszeit in Deutschland neu bestimmt hat: Wir brauchen den europäischen Pluralismus und die soziale Gerechtigkeit inclusive Urbanität und Nachhaltigkeit.

    So wie das TUNIX-Festival 1978 die Maßstäbe gesetzt hat, auch mit der Gründung der "taz". Europa ist mehr als nur ein Zusammenschluss von Staaten verschiedener Kulturen, sondern eine Gemeinschaft, die gegen den fatalen Nationalismus neue Alternativen schafft. Früher hiess die Berlin der Vorgänger der GRÜNEN: Alternative Liste.

  • Die Klassenfrage und damit die Klassengesellschaft, das sozial oben und das sozial unten, ist das zentrale Gesellschaftsproblem in der kapitalistischen Gesellschaftsformation.

     

    »Man sollte also über soziale Fragen und weniger über Hautfarben und die daraus resultierenden Identitäten sprechen?

     

    „Genau. Weil auch Alteingesessene keine Wohnung und keine vernünftige Arbeit finden.“« {...}

     

    „Es gibt spezielle Probleme von Flüchtlingen auf dem Wohnungsmarkt, Menschen mit nicht weißer Hautfarbe werden diskriminiert. Gleichzeitig müssen wir diese Probleme im Kontext der sozialen Ungleichheit betrachten. In diesem Fall: der Knappheit auf dem Wohnungsmarkt.“ {...}

     

    „Das Umschwenken von Klassenfragen und von sozialpolitischen Fragen hin zu Identitätsfragen, wie sie in den 60er Jahren auch die sozialen Bewegungen betrieben haben, also der Wechsel von Klassenanalyse und Klassenkampf zu „race-class-gender“, fällt uns jetzt auf die Füße.“

     

    Die privaten Eigentums- und Vermögensverhältnisse, insbesondere aus dem Privateigentum an gesellschaftlichen Produktions- und Reproduktionsmitteln [Grund und Boden, Rohstoffe und Bodenschätze, Luft und Wasser, Tier -Natur- und Pflanzenwelt; gesellschaftliche Produktionsmittel und Reproduktionsmittel; die Verfügungsgewalt über das Finanz- und Monopolkapital: Banken und Konzerne], müssten auf die Tagesordnung.

  • Sicher konnte man von Leggewie nicht erwarteür dass er für den dringend notwendigen Kampf gegen die weltweit aufkommende rechte Gesinnung irgendwelche Rezepte aus der Tasche zieht.

     

    Dennoch belässt er es (wenigstens in diesem taz-Interview) dabei, genau zu analysieren, wie rassistische, religiöse oder völkisch-identitäre Gegner der Demokratie sich kontinentübergreifend durchaus auf diesen gemeinsamen Nenner einigen können : Die Staaten Welt brauchen autoritäre Regierungsformen mit starken Männern an der Spitze. Franco, Salazar, Pilsudski, Mussolini, Hitler, Pinochet lassen grüßen, die heute schon etablierten Potentaten mit und ohne Uniform können sich von dieser kontinentübergreifenden "Welle" bestätigt fühlen (gab es unter diesem Titel da nicht mal einen rück- und vorausblickenden visionären Film, der zeigte, wie faschistisches Gedankengut in der menschlichen Psyche leicht geweckt werden kann ?)

     

    Nach Leggewies überzeugendern Darlegungen dessen was sich da weltweit tut, enttäuscht der Aufruf des Politkwissenschaftlers, "wir Europa sollten aufwachen, uns nicht spalten lassen und die Feinde Europas in ihre Schranken weisen".. Das sagen doch unsere Politiker angesichts der Pegida-Pöbler und deren intellektuellen Hintermännern doch schon lange,. Wesentliche Hinweise darauf, wie unserer (noch) exekutiven Regierenden so etwas anpacken sollten, fehlen leider.

     

    Wie wäre es, wenn der Kern der Unzufriedenheit und der tatsächlichen und drohenden globalen Prekarisierung endlich angegangen würde : die Austeritätspolitk samt Schwarzer Null ?, Damit sorgen die neoliberalen Marktrsadikalen seit über 20 Jahren überall für die ständige Ausweitung der sozialen Kluft. Diese Heilige Kuh Schäubles muss endlich geschlachtet werden. Solange die Kanzlerin davon spricht, dass wir eine "marktkonforme Demokratie" brauchen, ist nicht zu erlkennen, dass sie nur im Ansatz verstanden hat, dass "wir" Demokraten aufwachen sollten..

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @unSinn:

      "...Franco, Salazar, Pilsudski, Mussolini, Hitler, Pinochet..."

       

      Pilsudski passt nicht in diese illustre Gesellschaft. Warum? Weil unter seinem autoritativem System kommunistische und sozialistische Abgeordnete in freien Wahlen in die polnische Abgeordnetenkammer gewählt wurden. Bei welchem anderen dieser Namen wäre es nur denkbar?

  • Ablehnung der Trennung von Religion und Politik ?

     

    Es wäre mir neu, dass sich die Abendländischen etwas von den Religionen sagen lassen und sogar im Rahmen einer Aufhebung der Trennung von Religion und Politik sagen lassen würden. Da würde der Papst Franziskus im Rahmen eines Programms zur Nächstenliebe den reichen Pups-Abendländischen Flüchtlinge aufs Sofa zuteilen.

     

    Die Abendländischen werden sich auch von den Religionen nicht reinreden lassen. Im Gegenteil Christen, die im Falle einer abendländischen Regierung, ihren Glauben leben, werden ordentlich eins auf die Finger bekommen.

     

    Nicht umsonst setzt sich Pegida vor allem aus Konfessionslosen zusammen.

  • "…Das Umschwenken von Klassenfragen und von sozialpolitischen Fragen hin zu Identitätsfragen, wie sie in den 60er Jahren auch die sozialen Bewegungen betrieben haben, also der Wechsel von Klassenanalyse und Klassenkampf zu „race-class-gender“, fällt uns jetzt auf die Füße. Der amerikanische Philosoph Richard Rorty warnte schon in den Neunziger Jahren vor dem Identitätszirkus im akademisch-amerikanischen Raum und der damit verbundenen politischen Korrektheit.…"

     

    Gebongt - & allen pc-Besoffskis -

    N&Z-Wort-Jägern & Sprachsäuberern -

    Den Blockies in taz & anderwo ins Stammbuch.

    (Küppi hat dazu 'n paar Blätter weiter auch -

    Die Stangen was grade gerückt!;)

    • @Lowandorder:

      Ja, gut reingelaufen ist mir diese Aussage auch erst mal. Ich denke auch, dass Identitätspolitik heute vielfach grundlegendere Probleme entweder verdeckt oder legitimiert. Denn es ist letztlich ein sehr bequemer und kapitalismuskompatibler Weg, mit gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten umzugehen. Gut und böse erscheinen glasklar, entsprechend groß ist die Sprachnaziversuchung. Weltverbesserung für dummies.

      Gleichzeitig hat diese identitätspolitische Wende bei Teilen der Linken und mittlerweile im Mainstream ja auch gute Gründe. Die gesellschaftliche Ignoranz gegenüber der Ungleichstellung von Frauen, ethnischen, geschlechtlichen und sonstigen Minderheiten vor zwei Jahrzehnten ist m. E. mit der heutigen Situation überhaupt nicht vergleichbar. Das zeigt sich allein schon am Widerstand der Reaktionär*innen. Und diese Bewusstseinsveränderung hat, was die Diskriminierung von Frauen und Minderheiten betrifft, politisch ganz sicher mehr bewegt als der Traum von der finalen Revolution mit seinem zynischen Haupt- und Nebenwiderspruchsgedöns. Dazu gehören eben auch die PC-Sprachveränderungen, die doch eigentlich nur bedeuten, dass es nicht mehr klargeht, Leute gedankenlos zu beleidigen, diskriminieren oder sprachlich unsichtbar zu machen.

      Wie Leggewie ja auch durchklingen lässt, bringt‘s ein einseitiger Fokus nicht.

      • @Ruhig Blut:

        sorry - so seh ich das auch -

         

        es ist doch diese Vereinseitigung -

        Dieses One-trick-pony-thing -

        Dieses nur auf dem verabsolutierten -

        Untertassenteller zu surfen -

        Was den Wart - zum Blockwart macht!

        kurz - immer wieder verblüffend -

        Dieser Vereinseitigung zu begegnen -

        Aber auch nüchtern betrachtet! &

        Der Job - dem entgegenzutreten!

        • @Lowandorder:

          Ganz genau.

          Hab, na klar, nix anderes vermutet. Nur eine gute Vorlage, den Punkt anzuschließen.

          • @Ruhig Blut:

            und was ist jetzt der punkt, außer, dass es ab diesem punkt hätte spannend werden können, aber nicht wurde?

            • @christine rölke-sommer:

              Der Punkt ging los bei „Gleichzeitig…“, drüber war‘s ja nur ne Bekräftigung.

              Möchten Sie noch was spannenderes hinzufügen?

            • @christine rölke-sommer:

              ;)( - klar - & da Sie den punkt -Offensichtlich ja auch kennen -

              Back to sender - Leggie&JAF -

              But - The games must go on -

              Although&too!

              • @Lowandorder:

                och, mmich hätt' schon interessiert, wer denn in der vorstellung vom Claus es ist, welche "eine Erzählung, die mitreißt und in der Lebenswelt der Europäer anschlussfähig ist" erzählt, schreibt, aufführt. sind es die proletarierinnen aller länder vereinigt euch? oder wer sonst?

  • Der Fisch stinkt vom Kopf, ist daraus mein Fazit. Autoritären Menschen kann man nur mit Autorität begegnen. Könnte bedeuten, Orban & co müssen in die Schranken gewiesen werden. Mit einer europäischen Verfassung, Regierung, Justiz, Gesetzgebung, die solchen Alleingängern die Wahl lassen: Ausscheiden oder sich fügen. Ein Manifest, dass sowieso nur als moralische Proklamation mit Kann-Charakter wahrgenommen wird, ist sinnlos. Ersteinmal muss die Option des Rauswurfs aus der EU geschaffen werden und dem nationalen Souverän zu Bewusstsein kommen, dass er mit der Entscheidung zu einer Landesregierung eine weitere trifft. Knallharte europäische Gesetzgebung, die ethische Prinzipien an oberster Stelle vertritt. Dafür muss sich die EU allerdings höchst begehrenswert gestalten, und daran hapert es hier und da auch.

    • @lions:

      Das Ärgerlichste an den Anti-Europäern ist, dass sie sich selbst nicht dafür halten.

       

      Ich frage mich, wie "wir Europäer [...] uns nicht spalten lassen" und zugleich "die Feinde Europas in ihre Schranken weisen" sollen. Ist nicht auch "der Europäer" längst eine Kategorie, die auf PC basiert, nicht auf konkreten Bedürfnissen?

       

      Als es noch "Klassen" gab, war es viel einfacher, aus konkreten gemeinsamen Bedürfnissen ein WIR zu häkeln. Überzeugte Europäer sind Heuschrecken-Banker und Konzern-Bosse schließlich auch - so lange Europa ihren Interessen dient. Zu "Feinde[n] Europas" werden sie vermutlich erst in dem Moment, in dem sie teilen lernen sollen.

       

      "Autoritären Menschen kann man nur mit Autorität begegnen", schreiben Sie. Das stimmt vermutlich. Nur: Wer soll die Autorität ausüben? Bisher landet sie quasi automatisch bei denen, die sie sich (mehr oder weniger rabiat) nehmen, weil sie sie für ihr ganz privates Glück benötigen. Leider missbrauchen die sie ab und an. Vor allem, weil sie von der eigenen Großartigkeit meist so überzeugt sind, dass sie sich nicht kritisieren und schon gar nicht korrigieren lassen wollen. Vor allem dann nicht, wenn sie eine Mehrheit hinter sich glauben, und sei es auch die Mehrheit einer Minderheit.

       

      Ja, die europäische Verfassung müsste korrigiert werden. Als Instrument der Steuerung braucht sie die Möglichkeit des Ausschlusses. Nur: "Die EU" wird reichlich Gegenwind bekommen, wenn sie von einer Wirtschafts- und Währungsunion zu einer Sozialunion mutiert. Werden diejenigen unter uns, die sich als linke Pro-Europäer begreifen, innerhalb und außerhalb der EU genügend Rückhalt mobilisieren können für den Umbau? Ich fürchte fast: Noch lange nicht.

       

      Ohne glaubwürdige Wir-Erzählung kein Rückhalt. "Der Feind" ist schließlich kein Gespenst sondern verdammt real, wenn es was zu verteilen gibt. Es ist also mit Verlusten zu rechnen. Freiwillige vor.

      • @mowgli:

        Ich gebe zu, meine Perspektive ist eine utopische und unterschlage dabei die überwiegende Unfähigkeit des Menschen zum Bekenntnis zur Idee.

        Pessimismus treibt mich dabei schon etwas um.

    • @lions:

      "Ausscheiden oder sich fügen"

      Gilt das auch für den Süden Europas oder nur für Länder die ihre Position nicht teilen?

      • @Thomas_Ba_Wü:

        Der Süden hat ein wirtschaftliches Problem, dass der Solidarität, auch einem ethischen Prinzip, unterliegt. Wenn Sie meinen Beitrag richtig gelesen haben, galt genau dies als meine Forderung. Wenn man aber die Ausschlusskriterien aus der vor allem deutschen Vergangenheit im EU- Geplänkel im Kopf hat, interpretiert man eben so. Genau das war aber nicht meine Intention.