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Neger aus Tradition

WAS SAGT UNS DAS? Eine Bäckerei verkauft Donuts namens „Darky, der süße Dunkle aus Amerika“

Der Neger ist fest verankert in der Süßigkeiten-Welt. Die Annahme, ein dunkelhäutiger Mensch sehe aus wie Schokolade, bildet das theoretische Fundament für Begriffe wie „Mohrenkopf“, „Negerkuss“ und neuerdings auch „Darky Donut“. Wörter wie „Neger“ und „Mohr“ gehören zum Kulturschatz einer homogenen deutschen Gesellschaft, in der es niemanden gibt, der sich durch solche Begriffe gestört fühlen könnte: Eine weiße Mutter bestellt in der weißen Nachbarschaft bei ihrem weißen Bäcker einen „Negerkuss“.

Es sind Wörter, die zu einer deutschen Gesellschaft passen, die es – gerade in Großstädten – nicht mehr gibt. Deshalb wirkt „Darky Donut“ wie ein Wort, das aus seiner Zeit gefallen ist.

Der Gebrauch solcher Sprachbilder zeugt von soziokultureller Abgeschirmtheit – von Provinzialität. Und die ist in Deutschland offenbar nicht abhängig davon, wo jemand lebt: Der „Darky Donut“ wird in der Hauptstadt Berlin verkauft und nicht in Hoyerswerda. Provinzialität ist also etwas, das diejenigen, die „Mohrenkopf“ sagen, in sich tragen. Sie schleppen das rassistisch anmutende Gepäck mit sich herum seit ihrer Kindheit, als es noch weniger aneckte.

Mit Rassismus hatten die Begriffe aber nur vor Jahrzehnten zu tun, als sie sich etablierten. Nach dem Krieg waren Dunkelhäutige in der deutschen Wahrnehmung diejenigen, die auf Tartanbahnen schnell rennen konnten und auf den Straßen als GIs wachten. Ihre Hautfarbe machte sie zu einem fremden Menschenschlag, der nur peripher etwas mit einem selbst zu tun hatte. Es gab wenige Schnittmengen. Die Bestellung „ein Mohrenkopf, bitte“ traf selten auf Widerstand. Dieselbe Bestellung ist heute irgendwo zwischen Unachtsamkeit und Ignoranz anzusiedeln. Bezeichnend für den Zustand der Gesellschaft sind die Debatten, die entbrennen, wenn eine Bäckerei in Berlin einen Donut als „Darky, der süße Dunkle aus Amerika“ anpreist: Es gibt Kritiker, die Rassismus wittern, und solche, die von sich sagen, sie würden beim Wort „Darky“ doch nicht an den schwarzen Busnachbarn denken. Letztlich sind diese Debatten Wachstumsschmerzen einer Gesellschaft, deren geistiger Horizont immer noch dabei ist, sich auszuweiten.

SASCHA CHAIMOWICZ

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