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Krefeld ist gestolpertFalsches Erinnern

Kann es Argumente gegen das unvermittelte Gedenken an Opfer des Nationalsozialismus geben? Nein. In Krefeld glaubt man, sich bereits ausreichend zu erinnern. Alles schön offiziell. Man habe genügend Gedenksteine und schließlich auch eine NS-Dokumentationsstelle. Mit dieser Argumentation lehnt die Stadt das Projekt „Stolpersteine“von Gunter Demnig ab. Damit befindet sich Krefeld in guter Gesellschaft. Auch der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude fürchtete eine Inflationierung der Gedenkstätten. Im letzten Jahr hat seine Metropole sogar zwei, bereits eingelassene Gedenksteine wieder entfernt: Eine so geringe Anzahl würde das Ausmaß der Nazi-Verbrechen verharmlosen, hieß es.

KOMMENTAR VONPETER ORTMANN

Andere Argumente gegen das unvermittelte Stolpern gibt es auch. „Es sollte eine andere Erinnerung geben als die, die man mit Füßen tritt,“ sagt Charlotte Knobloch, die Vizepräsidentin des Zentralrats der Juden und sehr merkwürdige Zeitgenossen befürchten gar, es könne „ein falscher Eindruck“ von den heutigen Besitzern der damals von Juden bewohnten Häuser entstehen. Blödsinn. Die Steine von Günter Demnig lassen subversiv Gedenken entstehen. Unvermittelt, ohne feierlichen Rahmen, aber vielleicht mit einer Aldi-Tüte in der Hand. Macht es sie deshalb unbequem? Soll Gedenken an die Nazi-Brut, die nicht nur Juden in die Konzentrationslager schickte, lieber in offizielle Bahnen gelenkt werden? Ist zufälliges Erinnern an Opfer weniger honorig als terminiertes?

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