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Der „Engel von Dachau“

Gedenken Pater Engelmar Unzeitig pflegte im KZ Flecktyphus-Kranke. Jetzt wurde er seliggesprochen

Erinnerung an Pater Engelmar Unzeitig in Dachau Foto: Peter Kneffel/dpa

DACHAU taz | Heute sind nur noch die nachgebauten Fundamente der einstigen Baracken mit ihren jeweiligen Nummern zu sehen. Das Areal, wo die Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau wohnen mussten, gleicht jetzt einer grauen Wüste aus Kieselschotter. Ziemlich weit hinten auf der linken Seite standen die Baracken 26, 28 und 30. Es war der „Priesterblock“, wie die SS-Wächter die Behausungen bezeichneten. Auf der anderen Seite der Lagerstraße waren die Nummern 19 und 21 – die Krankenstation.

Ende 1944 bis März 1945 grassierte in Dachau eine Fleckfieber-Epidemie. Andrea Riedle, wissenschaftliche Leiterin der heutigen KZ-Gedenkstätte, listet die Zahlen auf: „Im Oktober 1944 gab es 403 Fleckfieber-Tote, im November schon 907.“ Einen Monat später waren es doppelt so viele, von Januar bis März 1945 lagen die Todesfälle bei 2.903, 3.991 und 3.534. Die Krankheit wird bei schlechten hygienischen Bedingungen von Läusen, Milben und Flöhen übertragen. Kurz vor dem Zusammenbruch der NS-Diktatur endete eine Infektion fast immer mit dem Tod.

Das wusste auch Engelmar Unzeitig. Der inhaftierte Geistliche, der dem Orden der Mariannhiller Missionare angehörte, lebte im „Priesterblock“. In den letzten Monaten pflegte er freiwillig die Todkranken in den „Typhus-Baracken“, wie diese bezeichnet wurden. Dafür ist er am Samstag in Würzburg seliggesprochen worden. Papst Franziskus hatte ihn bereits im Januar dieses Jahres zum Märtyrer ernannt. Mithäftlinge nannten Unzeitig den „Engel von Dachau“.

1911 wurde er als Hubertus Unzeitig im damaligen Sudetenland geboren. Der Vater starb früh, die Mutter musste Hubertus und die fünf Schwestern auf dem kleinen Bauernhof durchbringen. Doch er wollte Priester werden – und vor allem Missionar. Sein Ziel sei es, so schrieb er, das Leben „der Bekehrung der Heiden zu widmen“, am liebsten in Afrika. Er trat dem Orden bei, studierte und wurde im August 1939 Priester – nur drei Wochen vor Beginn des Zweiten Weltkriegs. Der Orden schickte ihn in ein Missionszentrum nach Oberösterreich. Als Prediger und Religionslehrer stellte er sich gegen den Antisemitismus der Nazis, wurde deswegen verhaftet und kam 1941 ins KZ Dachau.

Da war Unzeitig 30 Jahre alt, und es begann seine größte Mission. Er wird durchgehend als aufopferungsvoller, immer helfender, gläubiger Mensch beschrieben. Den vielen Mitgefangenen, denen es noch weit schlechter ging als ihm, trat er seine kargen Essensrationen ab. Er versuchte, andere zum Christentum zu bekehren. Sterbenden spendete er die Sakramente. Er schmuggelte Briefe aus dem KZ. Unzeitig lernte Russisch, um sich besser mit den anderen Gefangenen unterhalten zu können. Er erstellte einen Katechismus – ein Buch über die Grundfragen des christlichen Glaubens – auf Russisch.

Nicht Afrika, sondern Dachau wurde seine Mission. Immer wieder schreibt er aus dem KZ vom Gebet, von Gottvertrauen, von der wunderbaren Weisheit Gottes, von der Stärkung durch Gott. In Dachau gab es insgesamt 200.000 Häftlinge, 42.000 von ihnen sind dort gestorben. Von den 2.700 internierten Geistlichen kamen rund 1.000 ums Leben.

Nicht Afrika, sondern Dachau wurde seine Mission

Als der Flecktyphus Anfang 1945 am schlimmsten grassierte und die SS-Wächter sowie das KZ-Pflegepersonal längst nicht mehr die Krankenbaracken betraten, pflegte und betreute Unzeitig mit einer Handvoll weiterer Priester die Todkranken. Er infizierte sich selbst rasch, am 2. März 1945 starb Engelmar Unzeitig – einen Tag nach seinem 34. Geburtstag und knapp zwei Monate vor der Befreiung von Dachau am 29. April 1945.

Patrick Guyton

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