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Kolumne Berliner GalerienReizvolle Aussichten

Kolumnistin Jana J. Bach empfiehlt verfremdete Fotografien bei Soy Capitán, die Messe abc und eine Videoinstallation bei Carlier Gebauer.

Manipulierte Thermometer – Fabian Knechts Serie „Unveränderung“, 2016 Foto: alexander levy | Fabian Knecht

W er hat sich nicht schon über die Nebelmasken lustig gemacht, die Google den Menschen auf Streetview aus Datenschutzgründen verpasst. In den Werken Shahin Afrassiabis kumuliert dieser Habitus. Die türkisblaue Person mit weißblondem Haupt ist nur als solche im Vergleich auszumachen.

Alle Arbeiten zu „Head of a woman“, Prints auf Aluminium oder Metallpapier, zeigen variantenreich ein und dieselbe Frau – oder das, was von ihr zu erahnen ist. Afrassiabi zoomte sich auf seinem Tablet in Google Earth an sie heran, fotografierte sie ab und verfremdete die Aufnahme.

Wie Bilder erfahren werden, interessiere ihn, so der Künstler. Das gilt auch für die Serie, die Afrassiabi nach Satellitenaufnahmen von Stränden fertigte, ebenfalls aktuell ausgestellt bei Soy Capitán. Das ist zuerst banal und dann begehrenswert: Gerade dort, wo am wenigsten identifiziert werden kann, setzen sich Karibik und die schöne Unbekannte aus Pixeln neu zusammen (bis 29. 10., Mi.–Sa. 12–18 Uhr, Prinzessinnenstr. 96).

Spektakuläre Positionen

Reizvolle Aussichten verspricht auch die neunte Ausgabe der Art Berlin Contemporary. Vertreten sein wird etwa Fabian Knecht bei Alexander Levy, der im letzten Jahr mit einem Krokodil posierte, „Bedrohung – living sculpture“, und 2014 für eine Rauchsäule über der Nationalgalerie Berlin verantwortlich zeichnete.

Ebenso präsentiert: Henning Fehr und Philipp Rühr bei Max Mayer, die sich in ihren Filmen etwa aufmachen, die sozialpolitische Landschaft der Technoszene zu ergründen, und Erwin Wurm bei der König Galerie, der jüngst in der Berlinischen Galerie in ein gestauchtes Duplikat seines Elternhauses aus der Steiermark einlud (15.–18. 9., Luckenwalder Str. 4–6).

Universum in der Schneeflocke

Für den einen ist es ein Schuhkarton, für den anderen die ganze Welt. Langsam nähert sich die Kamera dem Zimmer. Tapeten in Rosé, ein Bild über dem Bett, Waschbecken, Krimskrams auf dem Nachttisch: Hier hat sich jemand auf schmalster Breite eingerichtet. Doch ein Subjekt fehlt in Sebastián Díaz Morales' Videoinstallation „The Lost Object“, zu sehen bei Carlier Gebauer.

Eine Totale offenbart die Szene als aufgebautes Filmset, die Crew teils inklusive. Der Gegenschnitt zeigt einen Glaswürfel vor schwarzer Wand, zerberstend oder in einer Hand gehalten. Schließlich findet er sich angezoomt auf dem Nachttisch wieder. Das Universum in der Schneeflocke, wie trivial, ein Gedanke, der sofort wieder revidiert werden muss.

Denn Morales trickst mit dem richtigen Timing aus, verknäult Narration und Assoziatives, um dann anzuecken: nämlich an die Wände des eigenen Gehäuses, die Realität sind oder doch Bretter vor dem Horizont (bis 8. 10., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Markgrafenstr. 67).

Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg immer donnerstags in der Printausgabe der taz

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Jana Janika Bach
Geboren 1983, ist tätig als freie Autorin und Journalistin unter anderem für die taz, die Schweizer NZZ und den Deutschlandfunk Kultur. Daneben schreibt sie literarische Texte, etwa für Hörspiel-Produktionen. Aktuell abrufbar ist der Podcast „Das System Söring“, der einen der aufsehenerregendsten Kriminalfälle der letzten Jahrzehnte erzählt und auf Platz 1 der True Crime Chartliste von Apple und Spotify landete. Auch für ihre Reportagen betritt sie gerne Neuland, egal, ob sie sich in New York oder Berlin auf Spurensuche begibt. Sie studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften, hier speziell Film- und Urban-Studies. Ihren Master in Kulturjournalismus machte sie an der Universität der Künste Berlin.

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