Uwe Rada erklärt, warum sich die SPD mit Mieterthemen so lange schwergetan hat: Kleine Geschichte des Milieuschutzes
Als die taz 2009 schrieb, die SPD sei keine Mieterpartei mehr, hagelte es sozialdemokratische Proteste zuhauf. Doch das Selbstbild vieler Sozialdemokraten entsprach da schon lange nicht mehr dem Bild von außen. Wir erinnern uns: Jede Idee der damals regierenden Linken oder der oppositionellen Grünen wurde von der damaligen Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) mit dem Hinweis abgetan, in Berlin herrsche ein Mietermarkt. Jeder könne angesichts des Leerstands eine passende Wohnung für sich finden.
Schutz vor Aufwertungsdruck
Eine der Ideen, die die SPD ablehnte, war das Instrument des Milieuschutzes. Laut Paragraf 172 des Baugesetzbuchs können Kommunen, in diesem Fall die Berliner Bezirke, Gebiete bei hohem Aufwertungsdruck unter Schutz stellen. Die Verwaltungen können dann jede Modernisierung genehmigungspflichtig machen. Inzwischen gibt es 32 Milieuschutzgebiete in Berlin. Innerhalb von fünf Jahren hat sich die Zahl fast verdreifacht. Doch die SPD musste erst zu ihrem Glück gezwungen werden. In Neukölln haben die Sozialdemokraten ihre Blockade erst aufgegeben, als Franziska Giffey Heinz Buschkowsky als Bezirksbürgermeisterin abgelöst hat. Und die meisten CDU-Politiker lehnen das Instrument ohnehin ab.
Was Milieuschutz dagegen leisten kann, haben vor allem die Grünen gezeigt. In Pankow, Friedrichshain-Kreuzberg und Tempelhof-Schöneberg, wo es grüne Baustadträte gibt, wurden etwa Kriterienkataloge verabschiedet, mit denen Luxusmodernisierungen verhindert werden sollen. Fußbodenheizungen und ähnliche Preistreiber sind seitdem tabu.
Natürlich wissen Praktikerinnen wie die scheidende Baustadträtin von Tempelhof-Schöneberg Sibyll Klotz, dass auch Milieuschutzgebiete „keine Allheilmittel“ sind. Das gilt auch für die Umwandlung von miet- in Eigentumswohnungen, die seit 2013 in den betreffenden Gebieten verhindert werden können. Zwar ist die Zahl der Umwandlungen in den Milieuschutzgebieten tatsächlich gesunken, in den benachbarten Quartieren jedoch auch gestiegen.
Inzwischen ist es Konsens von Grünen, Linken und SPD, die Zahl der Gebiete zu vergrößern. Gerade erst sind zwei in Charlottenburg-Wilmersdorf dazugekommen, unter anderem am Mierendorffplatz. Ist die SPD inzwischen also doch eine Mieterpartei geworden? Vielleicht beantwortet sich die Frage eher anders. Ohne den Druck der Opposition und auch des Mietenvolksentscheids wäre sie bestimmt noch immer keine.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen